Premiere des Films “Der automobile Mensch”
Am 10. Juni 2024 fand in Brugg die Schweiz-Premiere des Films “Der automobile Mensch” statt, in Anwesenheit des Regisseurs Reinhard Seiß aus Österreich. Der Film beleuchtet die Verkehrssituation in der Schweiz, Österreich und Deutschland aus einer kritischen Fachperspektive und bietet zahlreiche Beispiele und Argumente für eine dringend benötigte Verkehrswende. Jana Stachetzki besuchte die Premiere und zeigt als Verkehrsplanerin der Stadt Baden, was der Film zu bieten hat.
Reinhard Seiß ist ein österreichischer Stadtplaner, Filmemacher und Autor, bekannt für seine kritischen Dokumentationen über urbane Entwicklung und Verkehrspolitik. Seiß hat zahlreiche Preise für seine Arbeiten erhalten und ist ein gefragter Experte in seinem Fachgebiet. Mit “Der automobile Mensch” setzt er seine Tradition fort, komplexe städtebauliche und gesellschaftliche Themen verständlich und ansprechend zu präsentieren. Der Film besteht aus etwas sechs Stunden Filmmaterial, welches in Abhängigkeit des Aufführungsorts vom Regisseur spezifisch zusammengestellt wird. Zu Beginn der Vorstellung hat Reinhard Seiss mit einem schelmischen Ausdruck gesagt: «ich wurde gebeten, die Schweiz nicht zu positiv darzustellen…»
Der Film thematisiert die Ressourcenverschwendung und Umweltschäden durch den Autoverkehr. Zu Wort kommen lokale und international bekannte Experten wie beispielsweise Hermann Knoflacher, der betont, dass Autofahren zu viel Platz und Lebensraum beansprucht und erheblichen Schaden verursacht. Beispiele aus Österreich und Oberwallis zeigen umstrittene Autobahnausbauten und unzureichende Umweltverträglichkeitsprüfungen. Positiv hervorgehoben werden verschiedene positive Aspekte der Schweiz: Zermatt als autofreie Zone, der allgemein sehr gute öV als Voraussetzung für ein Leben mit weniger Automobilität oder auch das Erfolgsmodell «Volg» als Versorgungsgrundlage für viele Menschen im ländlichen Raum, die so weniger auf das Auto angewiesen sind. Der Film verdeutlicht, dass eine Verkehrswende nicht nur aus Elektroautos bestehen kann, welches insbesondere in Deutschland als die Lösung für viele Probleme gesehen wird.
Trotz der versucht kritischen Haltung gibt es viel Lob für die Schweiz, insbesondere für den öffentlichen Verkehr mit seinem integralen Taktfahrplan, das Nebeneinander von Schiene und Strasse, die Kombination von Personen- und Güterverkehr bei der Rhätischen Bahn oder auch unkomplizierte Änderung der Strassenmarkierungen zugunsten des Veloverkehrs im Val Müstair. Dennoch wird kritisiert, dass Gelder für den Straßenbaufonds oft zweckgebunden sind und daher auch Strassen gebaut werden, die keine begründete Notwendigkeit aufweisen.
Der Film schliesst mit der Feststellung, dass im Miniaturwunderland – egal in welchem Land – vorzugsweise Bahn und Menschen dargestellt werden, selten Autos und quasi nie Parkplätze, Autobahnkreuze und andere autoorientierte Infrastruktur. Das letzte Bild des gezeigten Films ist eine Aufnahme einer Miniaturversion eines solchen autoorientierten Bauwerks, welches sich knapp 6km Luftlinie von Baden befindet. Die Verewigung im Museum genügt, um späteren Generationen zu zeigen, wie die Welt früher war. Im Hier und Jetzt sollten solche und andere Projekte für den automobilen Menschen nicht mehr geplant und realisiert werden.
Kritische Diskussion
Die abschließende Podiumsdiskussion thematisierte die Finanzierung von Straßenbauprojekten in der Schweiz. Jede neue Straße generiert zusätzlichen Verkehr und verschärft das Problem.
Fazit
“Der automobile Mensch” ist ein humorvoller Film über eine ernste Angelegenheit. Er regt zum Nachdenken an und Reinhard Seiß hat mit diesem Film ein aktuelles und wichtiges Thema aufgegriffen und es auf unterhaltsame und zugleich nachdenkliche Weise präsentiert. Ein Film, der definitiv gesehen werden sollte, um die Diskussion über unsere zukünftige Mobilität voranzutreiben.