Wie geht’s unseren wilden Bienen?
Fast die Hälfte aller Wildbienen in der Schweiz sind gefährdet. Dies bestätigt die rote Liste des Bundesamts für Umwelt. Ich habe bei Flurina Müller von BienenSchweiz nachgefragt, wie es um die Wildbienen in der Schweiz steht. Andreas Färber zeigt uns anschliessend, wie der Werkhof die Förderung dieser Bienenarten in Ennetbaden umsetzt.
Flurina Müller, du bist Beraterin und ehemalige Projektleiterin für die Förderung von Blühflächen bei BienenSchweiz, kannst du uns als Einstieg ins Thema den Unterschied zwischen Wildbienen und den allbekannten Honigbienen erklären?
Flurina Müller: Die Honigbiene ist zwar die bekannteste Bienenart in der Schweiz, jedoch gibt es daneben noch rund 600 Bienenarten, die wir als Wildbienen bezeichnen. Die meisten dieser Wildbienen leben solitär, also nicht in einem Bienenvolk. Da die Wildbienen keinen zentralen Stock haben, um Nachwuchs zu ziehen, brauchen sie andere Nistplätze. Diese Nistplatzmöglichkeiten sind etwa so vielfältig wie die Wildbienenarten selbst: offene Bodenstellen, Sand, markhaltige Stängel, Hohlräume im Holz oder gar in verlassenen Schneckenhäusern. Hinzu kommt, dass das Aussehen zwischen den Bienenarten stark variiert. Von wenigen Millimetern bis einigen Zentimetern ist alles dabei. Einige haben einen Pelz, schillern in glänzenden Farben, andere sind eher grau und unscheinbar. Die Vielfalt ist überwältigend!
Was läuft in punkto Wildbienen in der Schweiz?
Mitte Mai 2024 wurde die neue rote Liste des Bundes publiziert. Darin ist erkennbar, dass rund 45 Prozent aller Wildbienenarten gefährdet sind. Die Hauptursachen dafür sind Lebensraumverlust und Nahrungsmangel. Die bodennistenden Wildbienen sind besonders stark betroffen.
Woran liegt das?
Wenn man im Sommer unsere Kultur- und Siedlungsräume betrachtet, erkennt man oft aufgeräumte grüne oder graue Flächen. Nach dem grossen Aufblühen im Frühjahr, wird das Nahrungsangebot in Form von Blüten besonders während den Sommermonaten knapp. Es ist jedoch zentral, dass über die ganze Saison ein vielfältiges Blütenangebot vorhanden ist. Auch die fehlenden Strukturen und ökologisch wertvollen Flächen wie z.B. Hecken und extensiv genutzte Wiesen für den Rückgang verantwortlich, da so die Nistplätze fehlen. Speziell für Wildbienen ist wichtig, dass dieses Nist- und Nahrungsangebot nah beieinander liegt, also einen optimalen Abstand von unter 150 Meter. Wildbienen bräuchten für längere Distanzen zu viel Energie, welche anschliessend fehlt, um den Nachwuchs zu verpflegen.
Gibt es auch Good News für alle Bienenliebhaber?
Wir stellen fest, dass Wildbienen und ihre starke Gefährdung bekannter werden und die Leute mittlerweile besser auf dieses Thema sensibilisiert sind. Zusätzlich gibt es einige Initiativen, die versuchen über den politischen Weg mehr Blüten- und Nistplatzangebot zu schaffen. BienenSchweiz hat beispielsweise ein Blühflächenengagement (den Link dazu findest du unten) gestartet, um mehr Blühflächen im Siedlungsgebiet sowie auf Landwirtschaftsflächen zu schaffen. Sind die Flächen einmal geschaffen, ist es sehr erfreulich zu sehen, dass die Wildbienen schnell in solche Habitate zurückkehren!
Welche Möglichkeiten gibt es zur Wildbienenförderung in Landwirtschaftszonen?
Um Wildbienen zu fördern, müssen die vorher erwähnten Herausforderungen angegangen werden. Einerseits kann mehr Nahrung durch Blühflächen und andererseits mehr Nistgelegenheiten durch geeignete Strukturen geschaffen werden. Als Nahrungsangebot eignen sich Wildblumenwiesen mit einheimischen Wildblumen, vielfältige Hecken, Wildblumensäume oder Blühstreifen entlang von Äckern. Diese fördern nicht nur die Wildbienen, sondern auch verschiedenste Nützlinge im Pflanzenbau. Mit Untersaaten oder blühenden Ackerkulturen kann sogar in den Produktionsflächen Wildbienenförderung betrieben werden. Auch bei der Ernte können einzelne Streifen stehen gelassen werden und dienen so als Nahrung und Rückzugsort.
Und in Siedlungszonen?
Für öffentliche Flächen gilt das Gleiche und hier gibt es noch viel brachliegendes Potenzial! Auch hier kann mit kleinen Massnahmen, Grosses bewirkt werden, in dem die Flächen mit den erwähnten Strukturen aufgewertet und bienenfreundlich bewirtschaftet werden. BienenSchweiz unterstützt Gemeinden, Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe mit kostenfreier Beratung, Kommunikation und Möglichkeiten zur Anschubfinanzierung.
Wie kann ich als Privatperson zur Wildbienenförderung beitragen?
Jeder Quadratmeter zählt für die Förderung von Wildbienen. Man kann auf dem Balkon ein Blumenbeet mit Wildblumen anlegen oder im Garten Hecken und Sträucher pflanzen. Wichtig ist, einheimische Arten anzupflanzen, weil viele Wildbienen darauf spezialisiert sind. Offene Bodenstellen, Totholz oder markhaltige Stängel könnten dann als Nistplätze bereitgestellt werden. Wenn man selbst kein Land pflegt, kann man öffentliche Ämter auf das Förderungspotenzial bekannter Flächen aufmerksam machen, bestehende Projekte zur Wildbienenförderung unterstützen oder sogar eigene Projekte lancieren.
Herzlichen Dank, Flurina Müller!
Wollen wir doch mal einen Blick auf die praktische Umsetzung solcher Wildbienenhabitate werfen.
Dafür steige ich in den Geländewagen des Werkhof Ennetbaden und zusammen mit Andreas Färber, der stellvertretender Leiter des Werkhofs, fahren wir zu einem kleinen Bienenparadies in der Nähe des Friedhofs.
Dort hat der Kanton zusammen mit der Suisseplan AG im Frühjahr 2022 eine Wildbienenfläche als Teil eines Förderprogramm konzipiert. Anfangs September des gleichen Jahres starteten die Vorbereitungen der Fläche beim Friedhof Ennetbaden vom Werkhof, sodass rund ein Jahr nach der Konzipierung bereits angesät werden konnte. Ennetbaden war eine von fünf Aargauer Gemeinden, die von diesem Förderprogramm unterstützt wurden. Auch die Wildbienen haben profitiert! Neben grossem Futterangebot durch eine farbenfrohe Wildblumenwiese (Naturnahe Grünflächen in Ennetbaden – Umweltblog Baden) auf dem Friedhof gibt es nun in nächster Nähe auch Nistplätze für Wildbienen. Umgedrehte Wurzelstöcke, grosse Ast- und Steinhaufen, drei Totholzstämme, eine Magerwiese, Sandlinsen und eine zentrale Ruderalfläche bieten abwechslungsreiche Habitate für etliche Wildbienenspezies.
Mäuse und viel Pflegearbeit
“Natürlich gab es auch Herausforderungen!”, meint Andreas Färber. Die Mäuse hatten einen solchen Schaden am Wurzelwerk der Stauden und Sträucher verursacht, dass etliche der 120 neu gepflanzten Stauden und 30 Sträucher eingingen. “Man hätte die Wurzeln besser durch ein Metallgitter vor den Mäusen geschützt, dann würde die Fläche jetzt noch besser aussehen.” Auch der richtige Sand war nicht einfach zu kriegen. Wichtig wäre ein unversamter, ungewaschener Sand gewesen. Das würde ich heute sicher anders machen.”, reflektiert er den damaligen Arbeitsprozess. Mittlerweile wachsen aus dem stark versamten Sand Stauden und Gräser – und das bedeutet vor allem eines: viel Pflegearbeit. Da die Wildbienen von April bis August am aktivsten sind, jätet der Werkhof ein Viertel der Fläche jeden Winter.
Ganz sicher kein Gift
“Wir jäten hauptsächlich von Hand. Ich bin seit 10 Jahren in diesem Beruf tätig und ich habe noch nie Pflanzengifte eingesetzt – auch keine biologischen.” Andreas Färber erzählt mir von den Anfängen in Ennetbaden. Damals war es schwieriger, die Leute für den Umweltschutz zu gewinnen. “Das war noch alte Schule, man hatte die Wiesen im Frühjahr einfach plattgemäht. Alternativen aufzuzeigen und die Anwohnenden zu sensibilisieren ist schon ein harter Brocken Arbeit.” Vor vier Jahren hat er eine berufsbegleitende Ausbildung zum Umweltberater abgeschlossen. Seither darf er mehr naturnahe Projekte planen und umsetzen. Andreas Färber, mittlerweile stellvertretender Leiter des Werkhofs freut sich sehr darüber: “Die Natur hatte für mich schon vor meiner Ausbildung ein hoher Stellenwert. An neuen Projekten mein Wissen einfliessen zu lassen und zu sehen wie schöne und natürliche Flächen entstehen, ist ein tolles Gefühl.” Auch mit dieser Fläche schwebt ihm schon ein neuer Plan vor Augen. Eine Trockensteinmauer soll den unteren Rand der Fläche säumen.
Dran bleiben!
“Es ist ein ‘ongoing process’. Mit dem Errichten eines solchen Habitats ist es noch nicht gemacht. Es kommt auch auf die richtige Pflege an!” Das sehe man beispielsweise an der Trockenwiese am Hang unterhalb der Fläche. Die ursprüngliche Vegetationsschicht wurde in einer Hangschürfung mit einem Bagger abgetragen und danach ausgemagert. Steine wurden als zusätzliche Struktur in die Fläche gesetzt und eine Trockenwiesenmischung angesät. Aber auch hier muss noch einmal ausgemagert und ständig gepflegt werden. Auch die verbesserte Vernetzung zwischen solchen gepflegten Habitaten ist Teil des Prozesses. Private Grundstücke bilden oftmals eine Barriere für wandernde Tierarten. Hier ist Andreas Färber im Austausch mit Grundstückbesitzern, um wo immer möglich Trittstein-Biotope zu schaffen, um biodiverse Standorte besser untereinander zu verknüpfen. Abschliessend meint er: “Wir sind auf einem guten Weg, aber es reicht noch nicht! Wir müssen dran bleiben!”