Neozoen – problematische Neuankömmlinge
Unsere fragilen Ökosysteme haben nicht nur mit klimatischen Veränderungen zu kämpfen – auch die ursprünglichen Artenzusammensetzungen werden durch neue, invasive Arten aus dem Gleichgewicht gebracht. Im Zuge der Globalisierung schleppt der Mensch fremde Organismen in Ökosysteme ein. Tierische Eindringlinge, Neozoen genannt, sind in den letzten Jahren in der Schweiz auf dem Vormarsch. Dieser Artikel stellt die Verbreitung, das Problempotenzial und den Umgang mit fünf verschiedenen Neozoen vor.
Asiatische Hornisse
Die invasive Asiatische Hornisse (Vespa velutina) ist in etwa gleichgross wie die einheimische Europäische Hornisse. Diese asiatische Art hat einen dunkleren Hinterleib (Abdomen), wobei auch der Kopf dunkler und orange ist. Die Enden der Beine sind hingegen gelblich. Erstmals wurde diese Hornissenart 2004 in Südwestfrankreich nachgewiesen. Seither breitet sie sich stark nach Osten aus. In der Schweiz ist sie seit 2017 bekannt und verbreitet sich vom Jura nach Basel. Auch im Tessin wurden erste Funde gemeldet. Für den Menschen ist die asiatische Hornisse nicht gefährlicher als seine europäischen Verwandten. Allerdings ist sie ein ausgezeichneter Bienenjäger und kann ganze Bienenstöcke vernichten. Die erbeuteten Bienen benötigen die Hornissen, um ihren Nachwuchs mit genügend Eiweissen zu füttern. Die Hornissen bauen im Frühjahr typischerweise ein Primärnest, das etwa handballengross ist und bis zu zwei Meter über dem Boden hängt. Während dem Sommer bauen die Hornissen ein deutlich grösseres Sekundärnest auf hohen Bäumen – was die Bekämpfung erschwert.
Um die weitere Ausbreitung von V. velutina zu verlangsamen, sollten Schweizer und Schweizerinnen speziell für die tiefhängenden Primärnester Ausschau halten. Die Bekämpfung obliegt den Kantonen, jedoch hat der Bund eine nationale Meldeseite eingerichtet, um Funde dieser Hornissenart besser zu lokalisieren.
Plattwürmer
Eine neue Bedrohung für unsere heimische Bodenfauna ist 2019 erstmals in der Schweiz gesichtet worden: invasive Plattwürmer. Der räuberische Plattwurm Obama nangura, ein Landplanarier aus Südamerika, verbreitet sich rasant in ganz Europa. Dieser Organismus hat wegen der Absonderung giftigen Schleims keine Fressfeinde. Der Spitzenprädator bringt grossen Appetit mit und frisst besonders heimische Schnecken und Regenwürmer. Diese Bodennützlinge werden von O. nangura stark dezimiert, was ein Risiko für die Bodengesundheit darstellt. Denn besonders unsere heimischen Regenwürmer fördern die Bodendurchlüftung und Wasseraufnahmefähigkeit durch Makroporen und schaffen eine erhöhte Bodenfruchtbarkeit durch den Abbau organischen Materials. Leider ist O. nangura nur einer von drei invasiven Plattwürmern in der Schweiz. Ein weiteres Beispiel ist der neuseeländische Caenoplana variegata, der sich von allerlei Arthropoden wie Käfern und Spinnen ernährt und ebenfalls gravierende Einwirkungen auf unsere Ökosysteme hat. Die Plattwürmer wurden in der Erde importierter Pflanzen gefunden. Solche Funde müssen sofort gemeldet werden!
Um die Würmer zu töten muss man sie zerquetschen oder in einem Seifenbad einlegen. Das Verschneiden eines Wurmes führt durch das Nachwachsen beider Teile nur zu zwei neuen Würmern. Die Erforschung invasiver Plattwürmer steckt noch in den Kinderschuhen und der Umgang mit diesem Organismus wird uns in den nächsten Jahrzehnten vor grosse Herausforderungen stellen.
Quagga-Muschel
Die ursprünglich im Schwarzmeerraum beheimatete Quagga-Muschel (Dreissna bugensis) hat sich mittlerweile in grossen Teilen Europas und Nordamerikas verbreitet. Sie kann sich das ganze Jahr über fortpflanzen, hat eine effiziente Nahrungsaufnahme und fühlt sich auf nahezu allen Untergründen wohl. Dadurch ist sie konkurrenzstark und verdrängt andere Muscheln und Fische. Die Muschel wurde 2014 im Rhein bei Basel das erste Mal nachgewiesen. Mittlerweile sind der Genfersee, Bodensee, Neuenburgersee, Bielersee, Lac Hongrin, sowie der Murtensee von der Muschel befallen. Die Quagga-Muschel verbreitet sich im winzigen Larvenstadium, wobei die Larven im Wasser schweben. Durch Fliessgewässer, oder im Ballast- oder Motorkühlwasser von Booten wird die Larve in neue Seen überführt. Im adulten Stadium, sind meist Boote, an denen lebende Exemplare unentdeckt bleiben für den Befall neuer Gewässer verantwortlich.
Richtiggehend gefährlich wird der Befall dann, wenn Wasserversorgungsrohre überwachsen werden, wie das bereits in Lausanne passiert ist. Dort hat die Quagga-Muschel kilometerlange Versorgungsrohre befallen und überfordert die Kühlsysteme der Server sowie die Techniker, welche die Filteranlagen nun alle drei Wochen reinigen müssen.
Rotwangen-Schmuckschildkröte
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet dieser Schildkröte liegt in Nordamerika. Heute zählt die Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) jedoch zu den häufigsten Sumpfschildkröten in Mitteleuropa und kann grosse Schäden in Weihern und langsamen Fliessgewässern verursachen. Als beliebtes Aquarientier wurden zwischen 1989 und 1997 etwa 52 Millionen dieser Schildkröten in die ganze Welt exportiert. Da die Schildkröte bis 40 Jahre alt werden kann, haben etliche Besitzer ihr Schildkröte in öffentlichen Gewässern ausgesetzt. In der Schweiz ist der Handel mit dieser Art verboten. Dennoch wurden in der Schweiz viele dieser Tiere ausgesetzt, was die heimischen Gewässer belastet. Die bis 30cm grossen Schildkröten leben zunächst karnivor und entwickeln sich anschliessend später zu Allesfressern. Dies hat problematische Auswirkungen auf ihre Umwelt. Denn sie ernährt sich auch vom Laich einheimischer Amphibien, von Insekten, Fischen und macht sich über die Eier bodenbrütender Vögel her. Sie verdrängt auch die bedrohte europäische Sumpfschildkröte, da sie die gleichen Lebensräume bewohnen. Auch im Dättwiler Weiher wurde diese Schildkröte mit grosser Wahrscheinlichkeit schon beobachtet.
In Mitteleuropa ist es zur Zeit noch umstritten, ob sich die Rotwangen-Schmuckschildkröte erfolgreich fortpflanzen kann, da die Geschlechtsentwicklung temperaturabhängig ist. In Durchschnittsjahren ist diese Temperatur im Sommer zu tief. In letzten Jahren ist jedoch in Südfrankreich die Reproduktion dieser Schildkrötenart beobachtet worden. Mit dem gehäuften Auftreten von Hitzesommern ist es also auch für die Schweiz womöglich eine Frage der Zeit, bis sich diese nicht einheimische Art erfolgreich fortpflanzen kann.
ALB
Der asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis, ALB) gilt als äusserst gefährlicher Schädling für unsere heimische Laubholzarten wie Buche, Ahorn, Rosskastanie, Platane und viele weitere.
Der Käfer hat einen schwarzen Körper mit auffälligen, hellen Flecken und kann bis zu 3,5 cm lang werden. Seine Fühler sind fast doppelt so lang wie sein Körper und bestehen aus elf Segmenten, die jeweils leicht bläulich gefärbt sein können. Der ALB wird hauptsächlich durch kontaminiertes Verpackungsholz aus China in die Schweiz importiert. Bisher wurden in der Schweiz vier Freilandbefällen registriert. Dabei hat die Tilgung des Befalls oberste Priorität. Die Tilgung war bisher nur möglich Dank einem schnellen Aufgebot von kantonalen und lokalen Behörden, sowie dem Einsatz von Spürhundeteams und Baumkletterern. Da die Käfer nur bei warmen Temperaturen fliegen und keine grossen Strecken zurücklegen, kann ein Befall kontrolliert werden, wenn er frühzeitig erkannt wird. In der Kernzone des Befalls, also im Umkreis von 100 Meter um einen befallenen Baum, müssen alle Bäume und Sträucher gefällt werden, die auf dem Nahrungsspektrum des ALB stehen.
In Zell, im Kanton Luzern, ereignete sich im August 2022 ein Befall durch den ALB. Seither sind 86 Bäume befallen worden und 1800 Bäume mussten präventiv gefällt werden, um dem Käfer die Lebensgrundlage zu entziehen. Auch im Schutzwald wurden einige befallene Bäume gefunden. Dort ist es nicht möglich alle Bäume zu fällen, daher wird der Wald intensiv überwacht.
Ein Fazit
Leider ist dies nur eine Auswahl an Tieren, die unsere Ökosysteme gefährden können. In unserem Umweltblog haben wir bereits über den Signalkrebs oder über verschiedenste invasive Pflanzen berichtet. Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Verbreitung dieser Organismen eindämmen lässt. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass wir Wege finden müssen, um mit ihnen zu leben.
Bildquellen der Slider:
Asiatische Hornisse: Agroscope, Manuela Behrendt (Badische Neuste Nachrichten)
Plattwürmer: Thurgauer Zeitung, Wikipedia
Quagga-Muschel: Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft, Olivier Paschoud (Staat Freiburg), Vorarlberg Online
Rotwangen-Schmuckschildkröte: Fotocommunity.de, Umweltberatung Luzern, Gartenteich Ratgeber
ALB: St. Galler Tagblatt, Waldwissen.net