Kehrichtdeponie Krummbachtobel: aus den Augen, aber nicht aus der Welt
Vor siebzig Jahren wurde der Badener Kehricht im Krummbachtobel bei der Webermühle „entsorgt“. Das war die übliche Methode damals. Zu sehen ist von der Deponie heute nichts mehr. Doch ihr Sickerwasser ist immer noch mit Schadstoffen belastet und muss alle zwei Monate beprobt werden.
Einige Tage Regenwetter: perfekt für Altlasten-Fachfrau Martina Sommer! So sind die Bedingungen für die Entnahme von Wasserproben ideal. Nach wenigen Schritten durch den unwegsamen Uferwald sind die Schuhe lehmverklebt. Doch die Umweltingenieurin ETH, Projektleiterin Altlasten bei der Arcadis Schweiz AG, lässt sich auch von umgestürzten Bäumen nicht abschrecken. Sie will heute das Sickerwasser aus der Deponie Krummbachtobel beproben und auf dessen Schadstoffgehalt überprüfen. Die Überwachung der Deponie Krummbachtobel ist ein Auftrag der Stadt Baden.
Eine Kehrichtdeponie in einem Bachtobel
Wo heute dichter Wald wächst, zwischen Neuenhofer- und Zürcherstrasse, hatte der Krummbach ein kleines Waldtobel geschaffen. In den 1950-Jahren wurde begonnen, Bauschutt und Aushub im Krummbachtobel zu entsorgen. 1957 erhielt die Stadt Baden die Bewilligung des Kantons, auch Kehricht deponieren zu dürfen. Für heutige Verhältnisse unvorstellbar – damals aber die gängige Methode, um den wachsenden Mengen von Siedlungsabfällen Meister zu werden. Noch im selben Jahr fuhren die ersten Kehrichtwagen vor, und das Tobel füllte sich rasch. 1964 kamen erste Zweifel auf, ob die Deponie Quellfassungen bedrohen könnte. Darauf wurde nur noch unbelasteter Aushub und Ausbruchmaterial vom Schlossbergtunnel abgelagert. Der Krummbach wurde eingedolt und fliesst seither nicht mehr durch die Deponie. Ein Luftbild von 1976 zeigt dann einen vollständige Wiederbewaldung. Vor der Aufforstung wurde die zwölf Meter mächtige Deponie mit soviel Boden überdeckt, dass die Bäume gut gedeihen konnten. Aus Sicht des Stadtforstamts wächst heute auf der Müllhalde von früher ein „ganz normaler“ Wald. So erinnert heute vermeintlich nichts mehr an die Deponie …
Oberflächlich ist von der Deponie Krummbachtobel nichts zu sehen. Der diesjährige Holzschlag fördert die Verjüngung und bringt Licht auf den Waldboden (Bild: Energie und Klima).
Aus den Augen, aber nicht aus der Welt
Auch wenn sie teilweise bereits von Mikroorganismen abgebaut wurden, liegen die Abfälle doch noch unter den mehrere Meter mächtigen Bodenschichten. Mit dem gefassten Sickerwasser gelangen einige der in der Deponie vorhandenen und bei der Zersetzung der Abfälle entstehenden Schadstoffe in die Limmat. Die Deponie ist derzeit laut Kataster der belasteten Standorte überwachungsbedürftig. Altlastenrechtliche Untersuchungen haben ergeben, dass aufgrund zu hoher Ammonium- und Nitrit-Konzentrationen im Sickerwasser ein Überwachungsbedarf besteht.
Das Feldlabor aus der Kiste
Zurück also zu Martina Sommer. Sie steht im Ausgang der Sickerleitung und hat ihr kleines Feldlabor bereits eingerichtet. Jeder Handgriff sitzt – kein Wunder; sie ist alle zwei Monate hier. Schon läuft die Stoppuhr, und sie fängt mit einem Messbecher das gesamte Sickerwasser auf, um die aktuelle Durchflussmenge zu bestimmen. Dann misst sie den Sauerstoffgehalt, die Leitfähigkeit, den pH-Wert und die Temperatur. Diese Werte können bei der Interpretation der Analyse-Ergebnisse hilfreich sein und geben zusätzliche Informationen zum Zustand des Sickerwassers. Nach zehn Minuten wird das Feldlabor schon wieder in die Box verstaut. Mit dabei ist ein mit Sickerwasser gefülltes Fläschchen. Das wird Martina Sommer im firmeneigenen Analytik-Labor abgeben, um daraus die Ammonium- und Nitritkonzentration bestimmen zu lassen.
Sauerstoffgehalt, Leitfähigkeit, pH und andere Werte werden gleich vor Ort gemessen.
Für die Messung der Schadstoffkonzentrationen wird eine Probe fürs Labor abgefüllt.
Die rötliche Farbe des Sickerwassers ist unproblematisch; die enthaltenen Schadstoffe sind farblos.
Die Sickerwasserleitung endet weit unterhalb der Deponie. Hier wird die Wasserprobe entnommen.Protokoll
Ammonium und Nitrit: abbaubar und doch giftig
Andere Badener Deponien enthalten giftige Schwermetalle und CKW’s (Chlorierte Kohlenwasserstoffe), da tönen Ammonium und Nitrit vergleichsweise harmlos. Warum wird hier soviel Aufwand getrieben für zwei Schadstoffe, die durch die Landwirtschaft in viel grösserem Ausmass in die Umwelt gelangen? Ammonium (NH4+) und Nitrit (NO2-) sind Stickstoffverbindungen, die schnell abgebaut werden. Sie sind typisch für Deponien mit Haushaltabfällen, wo sie beim Abbau organischer Abfälle entstehen. Sie können auch aus Beton stammen oder in einzelnen Fällen aus Ausbruchmaterial bei Tunnelbauten, beim Einsatz von Sprengmitteln. Zum Problem werden sie, wenn sie ins Grundwasser oder wie hier im Krummbachtobel in ein Oberflächen-Gewässer gelangen. Ammonium trägt zur Überdüngung von Gewässern bei. Es fördert das Wachstum von Algen und Bakterien. Für Fische ist es, wie auch Nitrit, schon in geringen Konzentrationen giftig. Weil mit dem Sickerwasser aus dieser Deponie verhältnismässig kleine Frachten an Ammonium und Nitrit in die Limmat eingetragen werden und das Sickerwasser schnell sehr stark verdünnt wird, klassiert der Kanton diesen Altlastenstandort als „nur“ überwachungsbedürftig. Eine Sanierung ist also nicht nötig, zumindest heute nicht. Eine Neubeurteilung des Standorts findet 2023 statt.
Links die Zürcherstrasse, rechts die Neuenhoferstrasse und die Webermühle: aus dem ehemaligen Tobel wurde ein bewaldeter Hügel. Die regelmässige Wasserbeprobung findet bei Punkt 1 statt (Bild: Arcadis Schweiz AG).
Vielen Dank Martina Sommer für diesen Einblick in deine Arbeit! Möchten Sie in Sachen Badener Umwelt auf dem Laufenden bleiben? Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!