Machen wir uns nichts vor: Kaffee ist überhaupt nicht nachhaltig! Für jede Tasse Kaffee werden durchschnittlich 140 Liter Wasser verbraucht. Sollen wir deshalb auf eines unserer beliebtesten Getränke verzichten? Nicht unbedingt. Denn es gibt auch Kaffees, die in der Produktion nachhaltiger sind als andere. Wenn diese auch noch gut schmecken, kann ich getrost die reduzierte Quantität meines Konsums mit der Qualität wettmachen. In diesem ersten Teil mache ich mich deshalb auf die Suche nach den nachhaltigsten und feinsten Espressi in fünf auserlesenen Cafés in Baden. Und, ich verrate Ihnen zusätzlich meinen persönlichen Geheimtipp.

Wir haben alle einen individuellen Geschmack. Möchte man aber verschiedene Kaffees vergleichen, gibt es dafür Techniken zur objektiven Beurteilung von geschmacklicher Qualität. In der Kaffeebranche reden die Profis vom “Cupping”, das Degustieren von Kaffee in Tassen. Dabei testen Experten diverse Eigenschaften wie Aroma, Geschmack, Nachgeschmack, Säure, Körper und Balance und treffen daraus eine Auswahl für diverse Röstungen. Nach dieser Auslese kommen wir Konsumierenden in den Genuss von Espresso, Americano, Cappuccino oder den in der Schweiz beliebten Café Crème. Für meinen Vergleich wähle ich den Espresso, denn diesen treffe ich mit Sicherheit überall an.

 

Um nun die Nachhaltigkeit zu überprüfen, brauche ich weitere Kriterien. Auf der Suche nach möglichst nachhaltig produziertem Kaffee achte ich daher auf Herkunft, Anbau und Verarbeitung, die Warenkette, Transparenz und Zertifizierungen. Dies sind keine vollumfänglichen Kriterien, aber sie zeigen zumindest Tendenzen auf, welche Kaffees ein ökologisches Bewusstsein mittragen. Es gelten folgende Grundregeln:
• Der Anbau des Kaffees ist tendenziell nachhaltiger, wenn er ohne den Einsatz von Maschinen, künstlicher Bewässerung oder grossflächiger Behandlung der Pflanzen durch Kunstdünger oder Pestiziden erfolgt.
• In der Verarbeitung macht es einen Unterschied, ob ein Kaffee gewaschen oder getrocknet wird. Der Wasserverbrauch ist bei gewaschenen Bohnen relativ gross. Oft, weil das Wasser danach nicht mehr wiederverwertet werden kann.
• Beim Transport der grünen Bohnen spielt es eine Rolle, wie komplex eine Warenkette aufgebaut ist. Direkter Handel ist meist ein Vorteil. Je kürzer die Ketten, desto vertrauenswürdiger sind in der Regel die Informationen.
• Zertifikate wie Bio, Fairtrade, Rainforest Alliance etc. sagen zwar etwas über all diese Prozesse aus, aber sie sind keine Garantie.

Washing
Nach der Fermentation wird der Rohkaffee oft in schlängelnden, abgestuften Wasserkanälen ausgewaschen.
Fermentation intro
Aus der Kirsche in die Fermentation: Im Wasser löst sich über mehrere Stunden die zuckerhaltige Schleimschicht, welche die Bohne umgibt.

5 Badener Espressi im Test

Kafi Zwoi

Kafi Zwoi

Im Handwerk des Barista ist die Passion spürbar. Den Espresso, den mir René vom Kafi Zwoi präsentiert, ist ein reiner Arabica aus Brasilien. Immer mehr Röster bieten inzwischen Espresso-Röstungen an, die auf die Säure der Arabica Bohne setzen. Etwas ungewöhnlich, da für Espressi üblicherweise die etwas erdigere Sorte Robusta mitverwendet wird. Interessant an diesem Espresso ist die abwechslungsreiche Aromatik, er schmeckt vollmundig und fruchtig.

Der Piraju aus Brasilien
Das Kafi Zwoi bezieht seinen Kaffee vom Röstlabor in Zürich, einer experimentierfreudigen Mikrorösterei. Das Röstlabor bezieht wiederum seine grünen Kaffeebohnen über Handelspartner, die auf Transparenz und Nachhaltigkeit in der Warenkette achten. Der im Kafi Zwoi verwendete Kaffee wird auf der Capricornio Farm in der Region Parana in Brasilien von Hand gepflückt und lokal verarbeitet. Der Blend aus gewaschenen und getrockneten Kaffeebohnen wird sehr direkt gehandelt. Er hat keine spezifischen Zertifikate, aber garantiert die faire Produktion und den fairen Handel durch die offen zugänglichen Angaben auf der Homepage des Handelsunternehmens This Side Up.

Kajuete

Kajüte

Die Atmosphäre am Tränebrünneli an der Limmat ist wunderbar, um einen Kaffee zu geniessen. Perfekt, dass die Kajüte mir hier einen handwerklich excellenten Espresso bringt. Auch dieser ist aus Brasilien und ein reiner Arabica. Und auch dieser überzeugt auf ganzer Linie. Wieder steht die Säure im Vordergrund und transportiert die Frucht und Süsse an meine Geschmacksrezeptoren. Ebenso wie im Kafi Zwoi mag dieser vom „italienischen“ Espresso abweichen, dennoch kommen klare Noten, wie Banane und Schokolade zum Vorschein, die eine interessante Abwechslung zum Standard bieten.

Nossa Senhora de Fatima aus Brasilien
Der Espresso-geröstete Kaffee der Rösterei Stoll ist als Organic (Bio) ausgezeichnet und kommt aus der Cerrado Region in Brasilien. Er ist ein sogenannter Natural, was bedeutet, dass er getrocknet und nicht gewaschen wurde, also ein Plus in der Wasserverwendung. Auf Anfrage bei Stoll erfährt man viele Details über die Produktion, die Warenkette dahinter und die Röstung selbst. Dabei bemüht sich auch diese Rösterei um Transparenz und ermöglicht mir als Konsument zu erfahren, dass der Kaffee relativ nachhaltig ist.

Mosers

Moser’s

Hier finde ich den klassischen Schweizer Espresso vor mir. Zumindest in der Ähnlichkeit zum vermeintlich italienischen Kaffee, der gerne etwas stärkere Röstaromen trägt und leicht ins Bittere abfällt. Im Mund fühlt sich der Espresso nicht zu schwer an und hinterlässt keinen Zungenbelag, was durchaus positiv ist. In der Nase entfalten sich auch Hinweise auf Frucht und leichte Süsse, während der Geschmack doch recht intensiv eine gewisse Herbe mitbringt. Das Moser’s Backparadies ist somit eine gute Anlaufstelle für Geniesser des klassischen Espresso.

Siesta
Der Siesta Blend vom Graf Kaffee, aus der ortseigenen Rösterei, ist ein typischer Italiener, wie wir Schweizer uns diesen vorstellen. Obwohl die Siesta-Mischung nach einem Geheimrezept der Rösterei erfolgt, erfahre ich, dass dieser wie erwartet einen Robusta Anteil hat. Dazu kommen Arabicas aus Brasilien, Costa Rica und Guatemala. Interessanterweise verwendet Graf in seinen Blends ein wenig Monsooned Malabar. Dies ist ein nach spezieller Lagerart entstandener Rohkaffee, der hier eingesetzt wird um die Säure etwas zu reduzieren. Die Rösterei selbst ist Bio-Knospen zertifiziert und gewährleistet damit die Transparenz im Handel und der Verarbeitung, welche über den Partner Blaser Trading in Bern koordiniert wird. Da die eingekauften Kaffees meist im Hochland und in Hanglage angebaut sind, ist es daher wahrscheinlich, dass keine oder nur wenig Chemie eingesetzt wird. Die Rösterei zeigt damit ihr Bewusstsein für Nachhaltigkeit und ist gerne bereit, darüber Auskunft zu geben.

ohne ch

Ohne.ch

Im „Gstühl“ geniesse ich meinen Espresso auf der Terrasse des Unverpacktladens Ohne.ch. Dieser überzeugt mich sogleich. Er trägt eine weiche Süsse und bringt an diesem warmen Juni-Tag eine willkommene Frische mit leichter Säure, ohne schwer im Mund zu liegen. Die Balance ist ausgewogen und angenehme Fruchtnoten und leichte Röstaromen runden das Ganze ab. Wer den Espresso nicht zu intensiv, sondern ausgewogen mag, ist hier an der richtigen Adresse.

Caffè Irlanda aus Mexiko
Der Demeter-zertifizierte Espresso von Henauer aus dem Kanton Zürich achtet sehr auf die nachhaltige Produktion. Obwohl aus einer Mischung mit gewaschenem Arabica und getrocknetem Rosbusta, wird der Wasserverbrauch möglichst minimal gehalten. Dazu verwenden die Waschanlagen Eco-Pulper. Dies sind Maschinen, welche die Bohnen aus der Kirsche quetschen. Danach wird der Kaffee ohne Wasser fermentiert und erst in der Waschstrasse wieder mit frischem Bergwasser gewaschen. Damit dieses Wasser nicht verloren geht, wird es danach in ein Becken mit Wasserhyazinthen gelassen. Diese wiederum reinigen das Wasser teilweise. Die Pflanzen werden verhäckselt als Mulch in den Plantagen eingesetzt. Somit sollen Kreisläufe mit möglichst wenig Ressourcenverlust geschlossen werden. Der Kaffee wird auch möglichst direkt gehandelt. Henauer zeigt damit, dass sogar gewaschene Kaffees auf nachhaltigere Art verarbeitet werden können.

YanaCocha

YanaCocha

In der Kaffeebar des neu eröffneten YanaCocha Outdoor Shops sticht mir die glänzende Kolbenmaschine ins Auge; ein Instrument, das zu bedienen gelernt sein will. Den schön präsentierten Espresso geniesse ich in der Sonne auf dem Theaterplatz und treffe abermals auf den italienischen Klassiker. Oder zumindest die in der Schweiz beliebte Version davon. Eine gewisse Süsse durchmischt mit herben Röstaromen dringen in die Nase und im Gaumen entfalten sich diese gleich weiter. Er haftet etwas an der Zunge, aber fühlt sich nicht zu schwer an. Auch wenn er eher etwas Bitterkeit zeigt, so offenbart sich beim Abkühlen die Süsse.

1961 Organic Blend
Produziert von Il Gruppo Golden in Ardea, Italien bietet das YanaCocha einen Bio(EU)-zertifizierten Kaffee an. Durch die Mischung mit 30% teils-gewaschenem Robusta und einem getrockneten Arabica aus Peru, hat der Kaffee einen geringen Wasserverbrauch. Die Bohnen werden aus Peru direkt eingekauft, der Robusta über einen auf Nischen spezialisierten Händler. Volle Transparenz zu kriegen, ist hier nicht ganz einfach. Dennoch sind die Bemühungen für Nachhaltigkeit in dieser Mischung sichtbar. Die Informationen sind auf der Homepage der Golden Group einsehbar und auch auf Anfrage im YanaCocha erhältlich.

Kanne stehend Original Food
Bild: Original Food Webseite

Mein Geheimtipp: Kaffa Espresso aus dem Biolade Bade

Der Kaffa Bohnenkaffee aus dem Biolade in Baden hat wohl den besten Fussabdruck. Der Biolade ist zwar kein Café und macht auch keinen Espresso aus dem Siebträger, sondern im Vollautomaten. Dennoch schmeckt er wunderbar, und das Konzept dahinter ist einzigartig. Der Kaffee, welcher aus Äthiopien stammt, ist tatsächlich ein Wildkaffee. Dieser wächst nur in den leider schwindenden Bergregenwäldern der Provinz Kaffa. Ohne zusätzliche Wasserverwendung oder Eingriffe wachsen diese Ur-Arabicas in den geschützten Wäldern, werden von lokalen Bauern geerntet, in Kooperativen getrocknet, sowie durch eine Union dieser Kooperativen zentral verarbeitet. Der Einkauf durch Original Food erfolgt direkt bei der Union; die Warenkette ist dadurch sehr kurz. Angekommen in der Schweiz werden die Bio-zertifizierten Bohnen in Luzern zu einem qualitativ sehr schönen Kaffee veredelt. Frucht- und Malzaromen paaren sich mit einer spritzigen Süsse im Mund und einem Hauch Passionsfrucht im Abgang. Ein sehr ausgewogener Kaffee, der mich in seiner Kombination von Qualität und Nachhaltigkeit bisher am meisten überzeugt.

Fazit

Es ist schön zu sehen, dass bei den Cafés, die ich gerne besuche, ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit vorhanden ist. Die Röster wie auch die Baristi machen sich Gedanken darum, obwohl es zur Zeit noch eine Herausforderung ist, eine Balance zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit zu finden. Ein Punkt, der dabei Schwierigkeiten bereitet, ist die soziale Nachhaltigkeit. Die Bedingungen für die Kaffeeanbauenden sind ziemlich brutal. Zum Glück berücksichtigen Nachhaltigkeits-Zertifikate auch faire Löhne und Arbeitsbedingungen. Dies geschieht aber nicht standardisiert und ist noch weit entfernt davon, was wir hier als ethisch vertretbar betrachten. Auch bleiben Kaffeepreise über Jahre gleich in den Cafés, während die Kaffeepreise auf dem Markt wahnsinnig fluktuieren. Diejenigen Cafés, welche teurere weil nachhaltigere Kaffeemischungen anbieten, müssten deshalb auch mehr dafür verlangen. Dazu braucht es aber auch eine Bereitschaft der Kunden, dies wertzuschätzen. Bis dies geschieht, bleibt nachhaltiger Kaffee ein Nischenprodukt. Von den rund zehn Millionen Tonnen Kaffee, die jährlich um den Globus geschippert werden, machen kleine Röstereien und Unternehmen nur einen Bruchteil aus.
Wie es in der Welt des Grosshandels um Nachhaltigkeit steht, ist aber eine andere Geschichte.

Cupping Nairobi SW
Kaffee im Test: Beim Händler in Nairobi, Kenya, werden täglich frische Kaffees im sogenannten Cupping probiert und ausgewählt. Die Röster oder Kaffee-Unternehmen in den Konsumländern geben dem Exporteur vor was sie möchten und dieser wählt dann die passenden Kaffees aus. Wir bestimmen wiederum mit unserem Konsum, welche Kaffees eingekauft werden sollen.
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