Die Pilzsaison ist in vollem Gang. Ein Besuch der Pilzkontrolle Baden nach dem Sammeln schafft Sicherheit; von den rund 3000 einheimischen Grosspilzen sind gerade mal 150 essbar. Im Pilzhüsli sind Sammlerinnen und Sammler aus Baden und Umgebung willkommen. Auch Greenhorns werden hier freundlich empfangen und fachkundig beraten.

Pilze haben jetzt Hochsaison im Badener Wald. Wie wär‘s mit einem selbstgesammelten, lokalen Bio-Zerowaste-Pilzragout? Mit einem dicken, bunt bebilderten Pilzbuch versuche ich auf dem Sonntagsspaziergang, ein paar Exemplare zu bestimmen. Die Ernüchterung folgt schnell: die Fotos und Beschreibungen stiften mehr Verwirrung als Klarheit. Die Vielfalt ist überwältigend, ebenso die Variabilität: von derselben Art gibt’s Varianten in der Farbe, Grösse und Form.

Besser als Bestimmungsbücher und Apps: die Pilzkontrolle Baden

Zum Glück gibt die Pilzkontrolle Baden! Während der Saison finden hier Pilzsammlerinnen und Pilzsammler aus Baden und den umliegenden Gemeinden  fachkundige Unterstützung beim Bestimmen der gesammelten Pilze, und erst noch kostenlos. Im September und Oktober ist das Pilzhüsli täglich geöffnet. Mein Besuch zeigt schnell: hier sind auch Anfängerinnen willkommen.

Fünf Pilzfachleute betreiben die Pilzkontrolle Baden – im Herbst täglich

Heute hat Harald Schmid Dienst. Er amtet seit 21 Jahren als Pilzkontrolleur der Einwohnergemeinde Baden und teilt sich diese verantwortungsvolle Aufgabe mit vier weiteren Pilzfachleuten. Pilze sind seine Leidenschaft, vor allem die nicht essbaren. Von den circa 3000 einheimischen Grosspilzen sind schliesslich nur gerade 150 bekömmlich. Diese Vielfalt fasziniert Schmid seit vielen Jahren. Er leitet auch die technische Kommission des Pilzvereins Region Baden. Beruflich beschäftigt er sich aber mit der Vielfalt der Sprache: Er ist Korrektor.

Punkt 17 Uhr schliesst er das rustikale Pilzhüsli am Schademüliplatz auf, und bereits trifft erste Kundschaft ein. Schmid begrüsst sie zum Teil mit Namen. Die Körbe und Papiertaschen werden auf kleinen Tischen ausgebreitet. Auch kleinste Stücke müssen ausgepackt werden; sonst könnte das Ragout trotz Kontrolle ungeniessbar oder sogar giftig werden.

 

 

 

 

fliegende Hände
Versteckt sich unter den Eierschwämmen ein heikler Doppelgänger?

Jeder Pilz wird sorgfältig kontrolliert – Giftpilze haben keine Chance

Und dann geht’s fix: Schmids Hände fliegen über das Sammelgut. In wenigen Sekunden liegt nur noch da, was essbar ist. Der Rest fliegt in den Kübel unter dem Tisch. Und manchmal noch mehr: „Der ist zwar essbar, aber grusig alt!“ Es gebe mehr Vergiftungen von alten, verdorbenen Pilzen als von Giftpilzen, das liege in der Verantwortung der Sammler. Dann wird schnell ein Kontrollschein ausgefüllt, vielleicht noch ein Tipp zur Zubereitung gegeben, und schon wechselt er zum nächsten Tisch. Ausser natürlich, es gibt Fragen! Dann ist Schmid erst recht im Element, nimmt sich Zeit und teilt sein Expertenwissen grosszügig.

Herr und Frau Wettstein aus Nussbaumen sind mit ihrer heutigen Ausbeute sehr zufrieden. Die sechsstündige Suche in einem Wald ennet der Landesgrenze hat sich gelohnt. Prächtige Eierschwämme und makellose Steinpilze liegen vor ihnen und bekommen alle das Okay des Experten. Nun können sie einen Teil der Pilze guten Gewissens an Verwandte und Freunde verschenken.

Wettstein
Herr und Frau Wettstein freuen sich schon aufs Kochen und Verschenken ihrer Pilze

Gespannt erwartet auch Frau Sanze aus Fislisbach das fachmännische Urteil. Sie hat neben den ihr vertrauten Maronenröhrlingen eine weitere, ähnliche Art mitgebracht. Schmid identifiziert ihn sofort als essbaren Schwarzblauenden Röhrling und erklärt dessen Merkmale. Nomen est omen: kaum gedrückt, verfärbt sich sein Fleisch schwarzblau. Zufrieden legt die Sammlerin ihre Pilze in den Korb zurück und wirft einen Batzen ins Trinkgeld-Kässeli.

Sanze
Frau Sanze lernt eine neue Art kennen

Enttäuschungen haben auch eine positive Seite: sie erweitern die Artenkenntnisse der Sammlerinnen und Sammler

Gross ist hingegen die Enttäuschung am Nachbarstisch. Die vermeintlichen Steinpilze entpuppen sich als Gemeine Gallen-Röhrlinge und landen allesamt im Kübel. Diese sind äusserst bitter, und schon ein kleines Stück vergällt ein Pilzgericht buchstäblich. Nur die Eierschwämme werden durchgewunken. Leider sind sie so verdreckt, dass nach dem Rüsten kaum noch etwas übrig bleiben wird. Schmid empfiehlt dem enttäuschten Paar, die Pilze bereits im Wald grob zu reinigen, und gibt ihnen fürs Sammeln noch weitere Tipps (siehe Box unten).

Gallentaeubling
Gallenröhrlinge landen im Abfall
Eierschwaemme
Eierschwämme: die Erde sollte im Wald bleiben

Vorsicht vor giftigen Doppelgängern: immer alle Pilze zur Kontrolle bringen

Herr Aeberhard bringt einen einzelnen Pilz mit: „Das ist eine Krause Glucke, gäll?“. Der Pilzkontrolleur bejaht, aber sein Blick wird streng. Hat er im Auto noch mehr davon? Nein, aber im Wald gibt’s ein Plätzchen voll, lacht Aeberhard. Schmid empfiehlt dringend, keine Müsterchen vorbeizubringen, sondern immer den ganzen Fund. Er hat auch schon insistiert, die restlichen Pilze aus dem Kofferraum noch hereinzubringen, und einen tödlich giftigen Gifthäubling zwischen den essbaren Stockschwämmchen gefunden.

Baden leistet sich mit der Pilzkontrolle keinen Luxus, sondern senkt damit die Gesundheitskosten

Pilzkontrolleure können Leben retten. Oder im Notfall Entwarnung geben. Zum Beispiel, wenn ein Kleinkind im Garten einen Pilz findet und in den Mund steckt. In einem solchen Fall landet ein Anruf in der Tox-Zentrale Tel. 145 beim lokalen Pilzkontrolleur. Dieser kann vor Ort schnell entscheiden, ob das Kind wirklich ins Spital muss. Schmid weist darauf hin, dass die politisch oft diskutierte Abschaffung der Pilzkontrolle nur vermeintlich Geld spare. Unnötige Hospitalisierungen und unvermeidliche Vergiftungen führen zu neuen, immensen Kosten.  Eine Knollenblätterpilzvergiftung, die jemand überlebt, kostet die Gesellschaft mindestens eine halbe Million Franken. Ausserdem geht das Wissen über die richtige Diagnose der Pilzgifte verloren, was die Ärzte im Ernstfall ratlos macht.

Eindrückliche Biodiversität: vom Laien zum Pilzprofi ists ein weiter Weg

Auf Herr Schmidhausers Tisch liegen weitere interessante Arten. In meinem Pilzbuch trägt der Netzstielige Hexenröhrling das Totenkopfzeichen. Das sei überholt, erklärt Harald Schmid, 20minütiges Kochen mache ihn essbar. Der Schönfussröhrling dagegen landet im Kübel, so schön er auch anzuschauen ist, denn er ist bitter und würde Beschwerden verursachen.

Schmidhauser
Herr Schmidhauser darf seine Hexenröhrlinge behalten

Kurz vor Türschluss um 18 Uhr bringt Frau Lang aus Würenlos eine grosse Kiste vorbei. Darin eine Mini-Pilzausstellung in farbigen Bechern. Sie löchert den Kontrolleur nach Unterscheidungsmerkmalen, damit sie das nächste Mal im Wald weiss, was zu sammeln sich lohnt, und was sie in Zukunft stehen lässt. Harald Schmid weist auf typische Gerüche (er unterscheidet 150 verschiedene!), auf Texturen, Farben, Muster…mir geht das zu schnell!
Eine einfache Faustregel merke ich mir aber: Nicht essbar sind die Pilze mit weissem Milchsaft.

bunte Mischung
Sauber sortiert lernt sichs am besten

Die Pilzkontrolle Baden geht auf die Bedürfnisse der Besucherinnen und Besucher ein

Punkt 18 Uhr sperrt Schmid das Pilzhüsli wieder zu. Mein Besuch hat gezeigt: in der Pilzkontrolle Baden kommen alle auf ihre Kosten. Den einen genügt eine zügige Expertise für den sicheren Pilzgenuss, andere schätzen es, wenn sie dabei auch noch ihre Pilzkenntnisse erweitern können. Und es lohnt sich unbedingt, rechtzeitig zu kommen. Dann lernt man auch noch Arten aus fremden Pilzkörbchen kennen.

Schwellenangst ist definitiv nicht angesagt, und das Pilzragout dampft vielleicht schon bald im Teller!

GIBT ES IM KANTON AARGAU EINE SCHONZEIT FÜR PILZE?

Nein; es gibt auch keine Mengenbegrenzung. Es liegt also in der Eigenverantwortung der Sammlerinnen und Sammler, Mass zu halten.

Verboten ist jedoch das organisierte Sammeln. Gewerbsmässiges Sammeln ist bewilligungspflichtig.

Achtung: jeder Kanton hat eigene Bestimmungen, so gilt zum Beispiel im Nachbarkanton Zürich eine strenge Schonzeit vom 1.-10. jeden Monats.
Übersicht aller Kantonalen Pilzvorschriften

EMPFEHLUNGEN ZUM PILZSAMMELN

  • in durchlässigen Mischwäldern ist die Artenvielfalt am grössten
  • als Sammelbehälter ist ein offener Korb ideal, notfalls eine Papiertüte
  • nur schöne, ausgewachsene Exemplare nehmen; alte und ganz junge stehen lassen
  • Pilze ausdrehen, Vertiefung mit Erde zudecken
  • Pilze vor dem Einpacken mit einem Pinsel oder Messer säubern
  • Pilzbücher oder Apps liefern nur erste Hinweise im Feld; für die sichere Bestimmung ist ein Besuch in der Pilzkontrolle dringend empfohlen
  • Pilze immer vollständig und möglichst noch gleichentags zur Kontrolle bringen
  • stets den ganzen Fund kontrollieren lassen, nicht nur ein Musterexemplar
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