Die stark gefährdete Lungenflechte wird in Baden wiederangesiedelt. Damit sie sich langfristig etablieren kann, braucht es saubere Luft und Bäume, worauf sie alt werden kann.

Im Badener Wald finden sich spezielle Dinge: Zum Beispiel an Bäume getackerte Flechten. Nein, das ist kein Bastelprojekt, sondern eine wissenschaftliche Wiederansiedelung der Lungenflechte.  
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Im Badener Wald wurden Lungenflechten zur Wiederansiedelung an Bäume getackert.
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Von der Luftverschmutzung vertrieben

Die seltene Lungenflechte wächst hauptsächlich auf Laubbäumen. Sie ist ein Zeiger für saubere Luft und intakte Wälder. Bis 1934 kam sie im Badener Wald vor. Doch der Boom der Badener Industrie hat ihr den Garaus gemacht. Denn Luftverschmutzung verträgt die Lungenflechte gar nicht. Nun ist die Luft wieder sauberer. Daher die Idee, die seltene Lungenflechte zurückzuholen.

Die Lungenflechte kommt nur noch an wenigen Orten in der Schweiz vor. Daher brauchte es eine Bewilligung, um Lungenflechtenteile für die Wiederansiedelung zu sammeln. In Rothrist durften von einer grösseren Population Flechtenteile entnommen werden. Diese wurden dann an ausgewählte Bäume im Badener Wald getackert. Mit der Zeit wachsen die Flechten an.

Isabelle Nussbeck misst
Die Flechtenexpertin Isabelle Nussbeck bringt die Lungenflechten an. Sie leitet das Projekt.

Nur alte Lungenflechten können sich fortpflanzen

So einfach ist die Wiederansiedlung dann aber doch nicht. Nach der Umsiedelung muss sich die Flechte etablieren können. Dafür müssen langfristig ideale Bedingungen für die Entwicklung der Lungenflechte herrschen. Neben der sauberen Luft gibt es noch eine andere Herausforderung. Die Lungenflechte hat einen langen Lebenszyklus. Nur alte Flechten bilden Verbreitungseinheiten, wodurch sie sich vermehren können. Es braucht also Bäume, die alt werden. Nur auf ihnen kann auch die Lungenflechte alt werden. Gerade die alten Bäume fehlen in vielen Wirtschaftswäldern. Sie werden für die Holzproduktion gefällt.

In Baden werden viele alte Bäume als Lebensbäume stehen gelassen. Denn die Lungenflechte ist nicht die einzige Art, die auf alte Bäume angewiesen ist. Viele Insekten und Kleintiere leben auf alten Bäumen: in der groben Rinde, im Kronentotholz oder in alten Spechthöhlen.

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So könnte die Lungenflechte in Baden auch mal aussehen.

Die Heilwirkung der Lungenflechte Lobaria pulmonaria

Die Lungenflechte hat sich ihren Namen verdient: Sie ist ein traditionelles Heilmittel gegen Husten. Bis heute wird sie für die Herstellung von Hustensirup genutzt. Das wird durch ihre Seltenheit immer schwieriger. Daher haben auch Apotheken ein Interesse daran, die Lungenflechte zu fördern. Sie engagieren sich in Baden durch Ökosponsoring: Die Apotheke Wyss und die Schwanen Apotheke sponsern das Projekt.

Ein Projekt vom Stadtforstamt und der WSL

2015 wurden an fünf verschiedenen Standorten mehrere Lungenflechten angesiedelt. Das Badener Tagblatt berichtete. Einige Exemplare sind im Laufe der Zeit abgestorben. Einige mussten umgesiedelt werden, da ihre Trägerbäume krank wurden und gefällt werden mussten.

Zweimal im Jahr wird gemessen, wie viel die Lungenflechten gewachsen sind. Zudem werden Luftfeuchtigkeit und Temperatur an den Standorten laufend überprüft. Das sind zwei wichtige Standortfaktoren, weil es die Lungenflechte gern nass und kühl hat.

An den verschiedenen Standorten wachsen die Lungenflechten unterschiedlich schnell, obwohl Temperatur und Luftfeuchtigkeit an allen Standorten ähnlich sind. Unterschiede entstehen durch den Frassdruck von Schnecken und durch die Lichtverhältnisse. Am besten gedeihen die Lungenflechten am Unterwilerberg und östlich der Herzoghütte.

 

So hat sich die Lungenflechte an guten Standorten entwickelt:

E 50 20150301
März 2015
E 50 20190901
September 2019
E 50 20200301
März 2020

Mit dem Projekt wird ein Zeichen gegen den Verlust der Artenvielfalt gesetzt. Es wäre toll, wenn sich die Lungenflechten hier langfristig wiederansiedeln.

Bilder von Isabelle Nussbeck

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