Nach sieben Jahren Laufzeit wurde das Projekt «Wiederansiedlung der Lungenflechte im Badener Wald» im Jahr 2021 abgeschlossen. Die Lungenflechtenpopulation in Baden ist eine der grössten im Kanton Aargau. Baden leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung dieser im Mittelland fast ausgestorbenen Blattflechtenart.

In der Schweiz gibt es über 1600 Flechtenarten, von denen etwa ein Viertel auf Waldbäume angewiesen ist. Viele dieser baumbewohnenden Flechten sind heute bedroht, weil sie aufgrund einer zu intensiven Waldbewirtschaftung keine günstigen Lebensräume mehr finden. Wenn die Bäume frühzeitig gefällt werden, haben diese Flechten keine Zeit, sich auf ihnen auszubreiten. Um den Rückgang der Artenvielfalt während des größten Artensterbens seit dem Ende des Dinosaurierzeitalters vor 65 Millionen Jahren entgegenzuwirken, wird in Baden die Lungenflechte gefördert.

Lebensgemeinschaft Flechte

Flechten sind keine Einzelorganismen, sondern eine Symbiose zwischen Pilzfäden und Algenzellen. Die Algenzellen sind in eine spezielle Schicht des Pilzgewebes eingebettet. Beide Partner der Symbiose profitieren voneinander. Der Pilz schützt die Algenzellen vor Austrocknung, Frost und schädlicher UV-Strahlung und versorgt sie mit Wasser und Mineralien. Im Gegenzug versorgt die Alge den Pilz mit Kohlenhydraten, die von den Algenzellen durch Photosynthese produziert werden.

Lungenflechten – «Lebenszeiger» und Heilmittel

Die Lungenflechte (Lobaria pulmonaria) ist eine Baumflechte, die seit dem Mittelalter als Heilmittel für Lungenkrankheiten verwendet wird. Heute wird sie in der Homöopathie vor allem als Hustenmittel eingesetzt. Ihr deutscher Name leitet sich von den buchtigen Lappen, die lungenförmig geädert sind. Das Fehlen der Lungenflechte zeigt das Ausmass der Luftverschmutzung an und gibt Auskunft über den Natürlichkeitsgrad der Wälder.

Badener Lungenflechten

Im Badener Wald wurden an fünf Standorten Lungenflechten wieder angesiedelt. 86 Lungenflechten wachsen im Weiherhau, an der Rotholzstrasse, an der Langholzstrasse sowie im Reservat Unterwilerberg und in den Kanzeln. Die Wiederbesiedlung war ein Erfolg, da im Weiherhau und im Unterwilerberg ein starkes positives Wachstum und in den Kanzeln ein sehr starkes Wachstum der besiedelten Lungenflechten festgestellt wurde. Allerdings haben sich die Lungenflechten nicht überall gut angesiedelt. An der Rotholzstrasse war das Wachstum nur mittelmässig und die Lungenflechten an der Langholzstrasse zeigten starke Frassspuren. Nichtdestotrotz blieb die Population stabil und die Lungenflechten an der Langholzstrasse könnten sich noch erholen.

 

Flechten nehmen Nährstoffe über Luft und Wasser auf. Sie haben keine Wurzeln, die in den Baum eindringen, und sind daher für die Trägerbäume unschädlich.

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Bei der Wiederansiedlung werden Teile der Lungenflechte an die Rinde geeigneter Bäume geheftet und mit einer Aluminiumplatte gekennzeichnet (Bild: ecolinnea GmbH).

Erst Vervielfältigung, dann Verwendung

Im Hinblick auf eine dauerhafte Besiedlung des Badener Waldes mit Lungenflechten ist es unerlässlich, dass sich die Population vermehrt und selbstständig ausbreitet. Aufgrund des langsamen Lebenszyklus der Lungenflechten muss diese Entwicklung mit Geduld abgewartet werden. Erst wenn feststeht, dass sich die erwachsenen Lungenflechten fortpflanzen, kann eine nachhaltige Nutzung der Population für die Herstellung von Heilmitteln in Betracht gezogen werden. Nun gilt es die Trägerbäume der Lungenflechte vor dem Fällen zu bewahren, und alte Laubbäume in luftfeuchten Lagen zu erhalten.

 

Erfahren Sie mehr über die Lungenflechte im Badener Wald im Schlussbericht 2022 oder im Umweltblog-Beitrag zur Lungenflechte von Anina Frei. Wenn Sie weitere Heilpflanzen kennen wollen die im Wald vorkommen, dann lesen Sie den Beitrag Heilpflanzen aus dem Wald von Waldwissen.

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