Das Schulhaus Pfaffechappe ist in die Jahre gekommen und musste umfassend saniert und umgebaut werden, um den heutigen Bedürfnissen eines Primarschulhauses zu entsprechen. Doch warum wurde das alte Schulhaus nicht abgerissen und ein Neues gebaut?

Die kurze Antwort darauf ist: Die Grundstruktur des Schulhauses ist viel zu wertvoll, als dass man sie komplett hätte niederreissen können. Einerseits bot sie eine sehr gute Voraussetzung für eine Neustrukturierung des Schulhauses, welche für den Wechsel von einem Oberstufen- zu einem Primarschulhaus erforderlich war. Ausserdem entsteht bei der Erstellung von neuen Gebäuden viel CO2, welches vor allem in vorgelagerten Prozessen wie der Produktion oder beim Transport der Baumaterialen emittiert wird. Beton, Stahl und Glas sind energieintensiv in der Produktion und verursachen deshalb auch viel CO2. Deshalb steht die Bauwirtschaft vor grossen Herausforderungen in Bezug auf die Erreichung der gesetzten Klimaziele. Umso wichtiger ist es, unmittelbar umsetzbare Stellschrauben zu nutzen, um den CO2-Ausstoss beim Bauen zu verringern.

Beispiele dazu sind:

  • Weniger Flächenbedarf pro Person
  • Materialisierung (tiefer Fensteranteil, mehr Holz anstatt Metall und Glas, Einsatz regenerierbarer Materialien)
  • Die Wiederverwendung von hochwertigen Bauteilen
  • Bestehende Gebäude oder Gebäudesubstanz erhalten und bei Bedarf umbauen oder auch erweitern

Einiges davon konnte beim Umbau und der Sanierung des Schulhauses Pfaffechappe angewendet werden. So konnte viel wertvolle Substanz erhalten bleiben, ohne dass alles neu gebaut werden musste. Die Primärstruktur oder mit anderen Worten das Tragwerk und die Geschossdecken des Schulhauses wurden erhalten. Die Fassade hingegen wurde erneuert, unter anderem da diese nicht mehr den heutigen energetischen Anforderungen entsprach. Im Inneren des Gebäudes wurde eine ganz neue Raumstruktur anhand heutiger Konzepte und Bedürfnissen der Schule erstellt.

Vom alten Schulhaus zum Ersatzteillager…

Die Schulanlage Pfaffechappe wurde 1973/74 als eine der grössten Schulbauten der Volksschule Baden gebaut. Die Real- und Sekundarschule ist mittlerweile in das neue Sekundarstufenzentrum Burghalde umgezogen. Seit Sommer 2021 wird nun die Pfaffechappe umfassend saniert und umgebaut – der Baukredit beträgt 31.15 Mio. Franken – und sollte ursprünglich zum Schuljahresbeginn 2023/2024 von der Primarschule bezogen werden. Aufgrund von Lieferengpässen bei diversen Materialien und Bauteilen wird das neue Schulhaus nun im zweiten Semester des Schuljahres 2023/2024 bezugsfertig sein.

Vor Umbau und Sanierung konnten andere Schulen aus Baden und deren Gebäudeverantwortliche Bauteile und Mobiliar auswählen, welche sie an Ihren Standorten direkt verwenden konnten oder um sie als Ersatzteile bereitzuhalten. So konnten beispielsweise Armaturen und Lavabos wiedereingesetzt werden. Die grossen Lavabos, die sogenannten Schulwandbrunnen, werden grösstenteils wieder “in situ”, also im sanierten Schulhaus Pfaffechappe, wieder eingebaut. Ein Grossteil der noch verbleibenden Ausstattung konnte in Zusammenarbeit mit der Oberli AG an drei Schulen in der Stadt Turda in Rumänien vermittelt werden. Parallel dazu hat die Zirkular GmbH – ein auf die Kreislaufwirtschaft spezialisiertes Unternehmen – die alten Bauteile untersucht und inventarisiert. Dann wurde versucht, für die noch verwendbaren Bauteile Abnehmer zu finden über Bauteilbörsen (wie z.B. Salza). Aufgrund der Bauperiode des ursprünglichen Schulhaues war allerdings die Ausbeute an qualitativ guten und verwendbaren Bauteilen etwas eingeschränkt. Da es praktisch noch keine Lagerstätten für solche Bauteile gibt, bestand die Herausforderung darin, dass ein Abnehmer genau zum richtigen Zeitpunkt gefunden werden musste.

…zum Lieferanten für Bauteile in neuen Gebäuden

Das Architekturbüro insitu ist fündig geworden und hat Baumaterial aus der Pfaffechappe beim Umbauprojekt des Headoffice von Transa in Zürich verwendet. Das Projekt stand unter dem Motto Zero Waste und hatte zum Ziel möglichst viel umzunutzen und wiederzuverwenden. 80% der beim Umbau eingesetzten Bauteile sind wiederverwendet. Die «alte Pfaffechappe» konnte einiges dazu beitragen. Holz aus dem Innenausbau wurde für Trennwände verwendet. Akustikelemente wurden zu Sitzungsnischen. Wandtafeln wurden als dekorative Elemente oder gemäss ihrem ursprünglichen Zweck für Notizen, Skizzen etc. eingesetzt.

Umbauprojekt “Zero Waste” bei Transa mit Bauteilen des Schulhauses Pfaffechappe, Baubüro insitu AG

Wie viel CO2 wird damit eingespart?*

  • 123 m2 Holzpanele: Zersägt und zu einer Wand gestapelt. CO2-Einsparung 1 Tonne
  • 135 m2 Wandtafeln: 3.89 Tonnen CO2
  • 1 Metall/Glas-Tür: 0.65 Tonnen CO2
  • 110 m2 Sperrholz: 1.28 Tonnen CO2
  • 80 m2 MDF-Lochplatte: 0.85 Tonnen CO2
  • 90 m2 Mehrschichtholz: 0.98 Tonnen CO2

Total ergibt diese eine Einsparung von 8.7 Tonnen CO2 mit Material und Bauteilen aus der alten Pfaffechappe.

*am Beispiel des Büroumbaus von Transa

Für andere Bau- und Umbauprojekte konnten diese Teile wiedereingesetzt werden:

  • Heizkörper
  • Leuchten
  • Brücke aus dem Aussenbereich
  • 5 Schulküchen mit Natursteinabdeckung, eine davon in einem Umbau in Wettingen (siehe Foto)
  • Keramik-Lavabos und Garderobenbänke der Schwimmhalle in der Boulderhalle Baden
  • Glas-Aussentüre aus Holz (vom Provisorium) in der Boulderhalle Baden
  • Fassadenplatten des Provisoriums von einer Upcycling-Schreinerei in Winterthur
  • Diverse Sanitärkeramik, Lavabos: Bauteilbörse Zürich
  • Diverses Kleinmaterial für Requisiten in einem Escape-Room in Baden
  • Lärchenriemen der Aussenterrasse Provisorium von einer Upcycling-Schreinerei in Winterthur
Küche in Wettingen

Was leistet das neue Schulhaus energetisch und für die Biodiversität?

Im Bereich der Energie wurde beim Umbau und der Sanierung des Schulhauses Pfaffechappe Beachtliches erreicht. Auch wenn es nicht zum Vorzeigefall reicht. Die Stadt Baden hat sich in Bezug auf ihre eignen Bauprojekte dem Gebäudestandard von Energie Schweiz verschrieben. Der Standard setzt anspruchsvolle Massstäbe für energie- und umweltgerechte Bauten. Die Mindestvorgaben für Sanierungen werden, mit Ausnahme des ECO-Nachweises, erreicht. ECO widmet sich den Themen Gesundheit, Bauökologie und der Verwendung von nachhaltigen Materialen. Obwohl der Nachweis nicht erbracht wird, wurden die Nachhaltigkeitsrichtlinien von KBOB (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren) angewendet.

Ein Kernstück aus energetischer Sicht ist die neue Photovoltaikanlage auf dem Dach. Diese ist bereits installiert und kann vom Trottoir auf der Hochbrücke aus besichtigt werden. Die Anlage wird pro Jahr ca. 111’000 kWh an Strom produzieren. Das ist in der Jahresbilanz mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs des sanierten Schulhauses. Wenn auch der Verbrauch des Hallenbads berücksichtigt wird ist es immer noch ein Drittel.

Photovoltaikanlage Schulhaus Pfaffechappe
Photovoltaikanlage auf dem Schulhaus Pfaffechappe
Photovoltaikanlage Schulhaus Pfaffechappe 3

Die Anlage zeigt zudem auf, dass wir auf Flachdächern neben und mit der Stromproduktion auch Begrünung benötigen. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten (Artikel im Umweltblog zur Photovoltaik). Bei der Pfaffechappe liegen die Photovoltaik-Module jeweils in Paaren auf den Innenbereichen der beiden Dächer. Die grosszügigen Randsteifen sind für die Biodiversität reserviert. Die extensive Begrünung, welche sich aktuell noch nicht entwickelt hat, wird typische und wertvolle Vegetation von Trockenstandorten ausbilden. Solche Trockenstandorte sind in Baden auf der Ruine Stein und beim Schartenfels auf natürliche Weise vorhanden. Die dortige Felsflurvegetation beherbergt mit Steinbrecharten, Berglauch oder Echtem Gamander nicht nur eine besondere Vegetation, sondern ist auch Lebensraum für seltene Heuschrecken und Falterarten welche auf diese Trockenstandorte spezialisiert sind, wie z.B. die Westliche Beissschrecke oder Bläulingen und Widderchen. Für diese Arten bilden die begrünten Randstreifen auf dem Dach der Pfaffechappe eine wichtige Funktion als Trittstein und damit als Vernetzung unter den Trockenstandorten. Ein weiteres wichtiges und ergänzendes Element ist der intensiv begrünte Mitteltrakt. Da hier viel mehr Substrat eingesetzt wird, werden hier andere und üppiger wachsende Pflanzenarten anzutreffen sein. Zusätzlich wird die intensive Dachbegrünung hier mit Totholzelementen ergänzt und fördert so Wildbienen und andere Insekten. Auch in der Umgebung des Schulhauses gibt es einige interessante Elemente. So wird es zur Limmat hin einen naturnah gestalteten Aussenbereich geben, welcher in Teilen seiner Umsetzung (z.B. dem Bau von Weidenhäuschen) auch zu einem partizipativen Projekt gehört, welches mit den Schülerinnen und Schülern der neuen Primarschule zum Aussenraum durchgeführt wird.

Und wie sieht es mit der Wärmeversorgung aus? Das Schulhaus Pfaffechappe erhielt bisher Wärme aus der Heizzentrale Tannegg. Das wird auch so bleiben. Die Heizzentrale versorgt zudem die Schulhäuser Ländli und Tannegg, das Hallenbad und auch das Bezirksgebäude. Aktuell wird die Wärme zu aus rund 40% Erdgas sowie je zu 20% Biogas, Grundwasser und Strom hergestellt. Es ist jedoch geplant, dass die Heizzentrale Ende 2024 oder 2025 an die Fernwärme der Regionalwerke AG Baden angeschlossen wird. Durch die Integration in die Fernwärme erfolgt die Umstellung auf fast ausschliesslich erneuerbare und CO2-neutrale Energie aus Abwärme der KVA Turgi und Grundwasser. Neben der Umstellung auf nachhaltige Energiequellen ist allerdings auch der sparsame Umgang mit Energie wichtig. Das Schulhaus Pfaffechappe hat in den letzten Jahren vor der Sanierung im Durchschnitt rund 750’00 kWh Wärme pro Jahr (ohne Hallenbad) verbraucht. Gemäss den Berechnungen aus dem Bauprojekt wird der zukünftige Wärmebedarf bei rund 500’000 kWh liegen. Das ist eine beachtliche Einsparung um eine Drittel! 

Wir sind gespannt auf die Einweihung des Schulhauses und die darauffolgenden Erfahrungen aus dem Betrieb!

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