Katzen leben in drei von vier Schweizer Haushalten. Die Mehrheit von ihnen darf ins Freie. Als Jäger leben sie draussen ihre wilde Seite aus, mit Folgen für die Biodiversität. Neben Vögeln und Mäusen sind auch Blindschleichen in Gefahr. Ob diese nützlichen Schneckenvertilger trotz Katzen langfristig vorkommen im Quartier, hängt von der Gestaltung der Gärten ab. Mit einfachen Massnahmen geben Sie den Blindschleichen um Ihr Haus eine gute Chance, jagdlustigen Katzen zu entkommen.

 

Ich mag meine Katze sehr. Sie gehört zur Familie. Gleichzeitig mag ich „meine“ Wildtiere ums Haus, zum Beispiel die Blindschleichen. Als naturliebende Katzenhalterin komme ich ins Grübeln. Denn meine Katze jagt. Sie streicht gern durch die umliegenden Gärten. Und sie ist nicht die einzige, mindestens fünf Nachbarskatzen tun es ihr gleich. Immer wieder macht sie Beute: eine Waldmaus, eine Libelle. Und ja, auch mal eine Blindschleiche.
Sollte ich meine Katze einsperren? Nein; aber ich schaffe Strukturen ums Haus, welche das Überleben der Blindschleichen und anderer Kleintiere langfristig sichern sollen.

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Katzen mit Auslauf sind schlecht für die Biodiversität

Von den 1.4 Millionen Schweizer Katzen dürfen 70% ins Freie. Sie jagen, weil es ihre Natur ist, und Schimpfen nützt nichts. Katzen sind die erfolgreichsten Beutegreifer im Siedlungsraum und können mindestens lokal Beutetiere stark dezimieren. Betroffen sind vor allem Mäuse und Spitzmäuse, Vögel, Frösche, Molche, Eidechsen und Blindschleichen. Unter den Vögeln trifft es laut Schweizerischer Vogelwarte vorwiegend häufige Arten wie Amseln, Rotkehlchen, Meisen, Finken und Spatzen. Was ist zu tun? Natur- und Tierschutzorganisationen wünschen sich eine breite Diskussion zum Thema Katzen und Biodiversität. In erster Linie sollte die Katzendichte wieder abnehmen. Vorschläge gibts viele: freiwilliger Verzicht auf Katzenhaltung, Kastrieren, gesetzliche Beschränkung der Anzahl freilaufender Katzen pro Haushalt, der Abschuss streunender Katzen im Wald.


Freigänger-Katzen einsperren ist nicht tiergerecht

Damit es nicht zu so drastischen Massnahmen kommt, müssen wir Katzenhalter Verantwortung übernehmen für den Jagdtrieb unserer Lieblinge. Freigänger-Katzen einzusperren wird nicht verlangt. Der Zürcher Tierschutz hält fest, dass der Freilauf grundsätzlich zu einer tiergerechten Katzenhaltung gehört.

Mit einer wildtierfreundlichen Gartengestaltung können wir das Vorkommen von Blindschleiche&Co. auch in katzenreichen Quartieren sichern. Laut Vogelwarte jagen Katzen vor allem Tierarten, die zahlreich und einfach zu fangen sind. Wenn die Beutetiere in ihrem Lebensraum genug Nahrung, Verstecke und geschützte Plätze für die Fortpflanzung finden, verkraften sie selbst beträchtliche Verluste durch Beutegreifer.


Blindschleichen fressen Schnecken und sind darum nützliche Helfer im Garten

Ein Wildtier muss nicht nützlich sein, damit es unsern Schutz verdient. Für ein Tier mit dem nicht grad kuschligen Namen „Blinde Schleiche“ ist es aber sicher ein Vorteil. Denn wenn wir auch selber von deren Schutz profitieren, fällt es uns leichter, aktiv zu werden.

Blindschleichen sind in der Schweiz geschützt, wie alle Reptilien und Amphibien. Sie sind nicht blind und sie sind nicht giftig. Es sind keine Schlangen, sondern beinlose Eidechsen. Blindschleichen sind ausgesprochene Nützlinge im Garten, weil sie sehr viele Nacktschnecken fressen. In naturnahen Gärten kommen sie recht häufig vor, gerade auch in feuchteren, schattigeren Bereichen. Den grössten Teil ihres langen Lebens verbringen sie unterirdisch oder in Strukturen versteckt. Helfen wir den Blindschleichen, helfen wir vielen anderen Tierarten in unserem Garten: Igeln, Amphibien, Kleinsäugern und unzähligen weiteren.


Auch Mieterinnen und Stockwerkeigentümer können Blindschleichen schützen

Auch ohne eigenen Garten können Sie sich für Blindschleichen und mehr Natur ums Haus einsetzen. Als Mieterin schlagen Sie Ihrem Vermieter oder der Verwaltung Verbesserungen zugunsten der Natur vor. Und als Stockwerkeigentümer verlangen Sie an der nächsten Versammlung Massnahmen zur Förderung der Biodiversität. Ein schlagendes Argument sind auch die Kosten; naturnaher Grünflächen-Unterhalt ist oft günstiger. Das bringt den Blindschleichen und Vögeln in Ihrem Quartier mehr als Katzen(halter)-Bashing.

Brauchen Sie Unterstützung bei Ihrer Überzeugungsarbeit? Für einen Augenschein mit Ihnen und der Entscheidungsträgerin steht die Stadtökologie gern zur Verfügung.


Sechs einfache Massnahmen zum Schutz der Blindschleichen

Die folgenden Vorschläge für die Förderung von Blindschleichen sind sehr günstig und platzsparend. Sie eignen sich darum auch für kleine Gärten:

Haufen, Haufen, Haufen: Zweige, Laub, Rasenschnitt, Äste, Reisig, Häcksel…mehrere solche Verstecke rund ums Haus sind gute Unterschlüpfe für Blindschleichen. Auf die Grösse kommts nicht an.

Bei wenig Platz im Garten sind kleine Haufen tipptopp. Besonders geschätzt sind trockene Heu-Haufen: gemähtes Gras einfach auf dem Boden trocknen lassen, dann an einem regengeschützten Ort aufhäufen und wenn nötig abdecken.

Und was denken Ihre Nachbarn über die diversen Zwischenlager rund um Ihr Haus? Spätestens mit der Mission B-Kampagne von SRF erkennen sie Ihre guten Absichten.

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Halb eingewachsen: ein Haufen aus Heckenschnitt
Häcksel 1
Häcksel dienen als Blindschleichenversteck und verbessern portionenweise die Struktur des Komposts
Zweigbündel
Zweige vom letzten Baumschnitt aufschichten, wo’s nicht stört

Hecken unterpflanzen: statt Holzschnitzeln ein bisschen Wildnis zulassen.

Unter meiner Hecke haben sich über die Jahre Bärlauch, Maiglöckchen und Goldnessel durchgesetzt: essbare Augenweide im Frühling, üppiges Grün im Sommer und der perfekte Hideaway für Blindschleichen. Andere standortgerechte Wildpflanzen unter Gehölzen sind Kriechender Günsel, Purpurnessel, Salomonssiegel, Efeu, Immergrün und viele andere. Ob Sie diese Pflanzen kaufen oder die Natur selber machen  lassen, ist Geschmackssache.

Artenliste Einheimische Bodendecker

Artenliste Einheimische Schattenpflanzen

Efeu unter Hecke
Efeu macht ein besonders katzensicheres Schutzgeflecht für Blindschleichen

Ein bisschen faul sein: einen Saum vor der Hecke stehen lassen. Am Rand von Kiesflächen nicht pingelig sein beim Jäten.

Fliessende Übergänge zwischen Beet und Kies sehen natürlich aus und geben Blindschleichen Deckung, wenn sie sich entlang von Beet-Einfassungen oder anderen Strukturen bewegen.

Krautsaum
Natürlicher Look am Wegrand

Komposthaufen: Ein Eldorado für Blindschleichen: Deckung, Wärme und jede Menge Schnecken, Würmer, Asseln und andere Beutetiere. Ideal ist ein Platz im Halbschatten. Die Grünabfälle werden auf Fingerlänge zerkleinert, feuchtes und trockenes Material gemischt. Ein Deckel oder eine Plane schützt Blindschleichen vor Katzen und hält Füchse fern. Vorsicht geboten ist bei der „Ernte“ des reifen Komposts; arbeiten Sie nicht zu schnell, damit die Echsen sich zurückziehen können.

Komposthaufen
m Kompost halten sich Blindschleichen sehr gern auf

Verzicht auf Schneckengift! Blindschleichen ernähren sich zum grössten Teil von Schnecken.

Eisen-III-Phosphat-haltige Schneckenkörner sollen Blindschleichen laut Hersteller nicht schädigen. Ich verzichte dennoch darauf. Es gibt viele Alternativen dazu sowie vorbeugende Massnahmen, zum Beispiel in der Wahl der Pflanzen oder beim Giessen.

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Tipps von Hauenstein Rafz

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Schneckenkragen lassen Setzlinge unbeschadet wachsen, ganz ohne Gift

Verstecke in Steinen schaffen: Nicht gebrauchte Stellriemen und überzählige Steinplatten, Pflastersteine oder Ziegel ergeben gute Verstecke für Blindschleichen.

Schichten Sie sie in einer Ecke des Gartens hohlräumig auf. Aufwändiger zu erstellen sind unvermörtelte Bruchsteinmauern mit Schlupflöchern.

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Alte Mauern bieten Blindschleichen Unterschlupf

Mit diesen Massnahmen ist ein Nebeneinander von Katze und Blindschleiche möglich. Stirbt meine Katze dereinst, stellt sich die Gewissensfrage jedoch von Neuem. Den Wildtieren im Garten ist sicher am allerbesten gedient, wenn ich dann keine neue Katze aufnehme.

weiterführende Links:

Studie (2013) zum Jagddruck der Katzen

Infos über Blindschleichen (KARCH)

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