Der Werkhof hat im Schatten der Limmat Hochbrücke eine weitere Grünfläche ökologisch aufgewertet. Mit viel Liebe fürs Detail und für allerlei Lebewesen. Ich durfte den Gestaltenden einen Blick über die Schultern werfen.

Es ist Anfangs April, himmelblau und sonnig, als ich auf die Baustelle zulaufe. Sogleich hat Peter mich ins Visier genommen und nach der kurzen Einführung, wer hier wer ist und wie heisst, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Schnell wird mir bewusst, wie sehr Peter von solchen Projekten fasziniert ist. Seine Begeisterung überträgt sich sofort auf mich, und ich beobachte gespannt, was sich hier abspielt. Zwischen ineinander verkeilten Baumstämmen und ganzen Wurzelstöcken stehe ich in einer Szenerie, die definitiv ins Auge sticht.

Jurakalk statt Wandkies

Mit dem Greifer des Lastwagens häuft Cindy sandfarbenen Kalkstein neben diesen Stämmen auf. Johnny beobachtet den Vorgang aus einiger Distanz, schiebt wegkullernde Steine zurück an ihren Platz. Ein eingespieltes Team, wie mir scheint. Peter nimmt sich des verlorenen Praktikanten sogleich an und führt mich im Halbkreis um die Steinhaufen herum. Hinter mir kracht es. An der Stelle, an der ich vorher gestanden bin, liegt nun ein Steinhaufen. Peter erklärt, wie sie die Fläche ursprünglich mit Wandkies und grossen Findlingen besetzen wollten, sich dann aber für Jurakalk entschieden haben: «Den haben wir heute Morgen im Steinbruch Mellikon geholt. Jurakalk, frisch aus der Wand gesprengt.»

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Ökologischer Trittstein

Es ist offensichtlich, dass Peter schon viele Baustellen gesehen hat. Seine Hände wirken wie Schraubstöcke, mit abgebrochenen Fingernägeln und ein wettergegerbtes Gesicht, das schon im Frühjahr oft die Sonne gesehen hat. Er erzählt mir die Geschichte der Fläche, wie sie einst von Haselnuss- und Weissdornsträuchern bewachsen war und während der Badenfahrt stark in Mitleidenschaft gezogen wurde: «Die Leute sind damals einfach mittendurch gelaufen und ein richtiger Weg ist entstanden».

Ein Architekt wollte die Fläche anschliessend aufwerten und neu bepflanzen. Diese Gelegenheit wollte der Werkhof nutzen und machte sich zusammen mit der Abteilung Klima und Umwelt an die Planung. Ihr Ziel war es, einen neuen Trittstein für die Natur zu schaffen: ein vielfältiges Habitat für verschiedene Lebewesen und eine Verbindung zwischen ökologisch wertvollen Flächen sicherzustellen. Durch die Nähe zur Lägern entstand die Idee einen Schutthang wie im Jura zu gestalten und passend zu bepflanzen. «Projekte, bei denen wir fast freie Hand haben, bieten grossen Anreiz sich auch nach Feierabend mit den Themen der Ökologie zu beschäftigen. Es ist ein grosser Lohn, die Natur bei Ihrer Arbeit zu beobachten.»

Einheimisch

«Alle verwendeten Pflanzen sind zu 100 Prozent einheimisch», erklärt Peter stolz, «wir wollten eine dauerhafte Bedeckung der Fläche mit heimischen Pflanzen». Das ist  nicht einfach, zumal die Fläche schattige, halbschattige und sonnige Standorte enthält. «Man muss den Sonnenstand genau kennen und abschätzen können, welches Licht die Pflanzen zu welcher Jahreszeit erhalten». Die verwendeten Pflanzen seien zusätzlich an einem Schweizer Jura Südhang der gleichen Höhenstufe wie in Baden gezüchtet worden. Dies gewährleiste, dass die Pflanzen schon optimal an die Standortbedingungen der Fläche angepasst sind.

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Senf gegen Bodenverdichtung

Doch schon in den Anfängen des Projekts gab ein Problem. Die Bodenverdichtung war derart gross, dass die neuen Pflanzen vom Jura Südhang keine Wurzeln in Baden geschlagen hätten. Das Team vom Werkhof Baden musste also eine Lösung finden – und hat sie gefunden: Senf. Im letzten Oktober hat man die verbleibenden Sträucher in den Boden gefräst und Senf angesät. Die Aufgabe dieser Senfpflanzen war es, den Boden zu durchwurzeln, aufzusprengen und Bodenporen zu öffnen. Diese Poren begünstigen anschliessend die Bodenbelüftung sowie die Wasserspeicherkapazität des Bodens. 

Da die Aussaat der Senfpflanzen etwas spät im Jahr erfolgte, nimmt Peter an, dass die gewünschte Durchwurzelungstiefe von 70 bis 80cm nicht erreicht wurde. «Aber es ist besser, etwas zu tun, als nichts zu tun», meint er pragmatisch. «Und die Senfpflanzen wurden ja danach als Dünger in den Boden gefräst. Zusätzlich haben wir organischen Bodenaktivator aus Pflanzenkohle hinzugegeben.»

Mit Herzblut dabei

Die Steinhaufen legen nun nach Cindys und Johnnys Gusto und sie gesellen sich zu uns. «Die Leute wissen oft nicht, warum wir das tun», meinen sie. Sie wünschten sich mehr Verständnis und Respekt der Menschen gegenüber diesen geschaffenen Lebensräumen. «Jeder Quadratmeter zählt», sagt Peter abschliessend. Ich spüre, wie viel Herzblut sie in jedes ihrer Projekte stecken, dabei das grosse Ganze im Blick behalten, und sich doch auch über das ganz Kleine freuen können.

 

«Jeder Quadratmeter zählt!»

– Peter Bürki, Werkhof Baden

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Die ersten Bewohner

Im Schatten der großen Kastanie nehme ich mir noch einmal Zeit, die Fläche zu betrachten. Mein Blick kommt erneut auf dem Totholz zur Ruhe. «Die Baumstämme wurden schon vor drei oder vier Jahren hier in der Stadt gefällt. Das ist Badener Stadtholz. Direkt von hier.» betont Peter und zeigt auf die Baumstämme am Ende des Halbkreises: «Diese da wären ein wunderbares Habitat für den Lindenprachtkäfer. Der wurde zwar hier auf der Fläche noch nicht gesehen, aber wer weiss, vielleicht kommt er noch!» und mit einem Schmunzeln fügt er an: «Jedenfalls haben wir heute Morgen beim Versägen der Stämme bereits bemerkt, dass der Stamm von einer Mäusefamilie bewohnt wird.» Die ersten neuen Nachbarn Im Graben sind also schon da, und viele weitere werden zwischen Stein und Holz eine neue Heimat finden.

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