Einheimische Wildstauden werten städtische Grünflächen stark auf. Doris Tausendpfund und ihre Forschungsgruppe wollen es ganz genau wissen und haben dazu ein interessantes Projekt gestartet. Baden ist als erste Pilotgemeinde mit dabei.

 

Doris Tausendpfund ist Leiterin der Forschungsgruppe Pflanzenverwendung und Dozentin an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW. Sie leitete die Wildstauden-Pflanzung in der Langmatt und erlaubte mir ein paar Fragen zum zugehörigen Forschungsprojekt. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt.

Warum setzt ihr euch für einheimische Wildstauden im städtischen Gebiet ein?

Einerseits wollen wir der Bevölkerung die Vielfalt der einheimischen Wildstauden zeigen, und wie man mit ihnen städtische Grünflächen gestalten kann. Andererseits sind die Insekten besser an die einheimischen Wildstauden angepasst. Es macht also gleich doppelt Sinn, einheimische Wildstauden zu verwenden. Für Baden wurden die Wildstauden aus Samen gezogen, die in der Region gesammelt wurden.

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Doris Tausendpfund, Leiterin der Forschungsgruppe Pflanzenverwendung ZHAW

Toll! Quasi aus der Region – für die Region! Warum hat man denn nicht schon früher auf einheimische Mischungen gesetzt?

Der Punkt hierbei ist das Blühen der Pflanzen im Herbst. Fremdländische Arten blühen oft auch noch im September und Oktober üppiger. Darum setzte man in der Vergangenheit oft auf eine Mischung mit diesen Arten. Mit speziellen Pflegemassnahmen wollen wir eine längere Blütezeit der einheimischen Wildstauden erreichen und somit eine ästhetisch mindestens gleichschöne Alternative zu den fremdländischen Arten schaffen. Zudem sehen Wildstauden auch verbüht noch schön aus. Wir möchten die Bevölkerung sensibilisieren, im Herbst nicht alles zurückzuschneiden.

Worauf habt ihr bei der Zusammenstellung sonst noch geachtet?

Unser Prinzip ist die Entwicklung eines Pflanzensystems. Das Beet soll nach der Pflanzung schnell grün werden und die Pflanzen sollen sich gut ergänzen. Wenn also eine Pflanze ausfällt, soll ihr Platz schnell von einer Nachbarpflanze gefüllt werden. Strukturell wollen wir mit dem Wildstaudenbeet einen Kontrast zur Blumenwiese bieten. Auch haben wir den schlechteren Versamern den Vortritt gegeben, da diese oft mehr Mühe bei der Wiederbesiedlung der städtischen Gebiete haben.

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Das weidenblättrige Rindsauge (Buphthalmum salicifolium) ist Teil der Wildstauden-Mischung für Baden (Bild: Erika Gussmann).

Ihr nennt eure Mischung dynamisch. Was meint ihr damit? Die Pflanzen bleiben doch an Ort und Stelle?

Nun ja, während des Zeitraums eines Gartenbesuchs, ja. Aber wenn man den Garten mehrmals im Jahr oder sogar während mehreren Jahren immer wieder besucht, merkt man, dass sich das Beet laufend verändert. Als klassisches Gegenbeispiel gibt es die Rosenrabatten. Abgesehen davon, ob sie gerade blühen oder nicht, verändern sich diese kaum. Die Wildstaudenbeete sollen sich aber verändern! Es kann auch sein, dass weitere Arten einwandern, die wir nicht gepflanzt haben. In diesem Fall werden wir beim Jäten entscheiden, ob wir sie belassen oder entfernen.

Wo möchtet ihr denn diese Wildstauden pflanzen?

Unsere 26 Flächen befinden sich auf öffentlich zugänglichen Grünflächen in 16 verschiedenen Gemeinden. Wir haben verschiedene standortspezifische Mischungen entwickelt. So entstand eine Mischung für die Regionen Baden, Basel, Zürich, Luzern, Biel, Thun und Bern.

Die Versuchsböden müssen humusreich sein, weil es für magere Ruderalflächen bereits sehr gute Beispiele mit Wildstauden gibt. Für humusreiche Böden gibt es noch weniger Studien. Der Grund dafür ist eine komplexere Zusammensetzung und Resultate, die schwieriger zu interpretieren sind. In den Privatgärten trägt man oft die humusreiche Schicht ab, installiert ein Vlies und füllt die Mulde mit Split oder anderem Substrat. Wir möchten eine Alternative bieten, bei der man die humusreiche Schicht nicht abträgt.

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Auch Ästige Graslilien (Anthericum ramosum) wurden in der Langmatt gepflanzt (Bild:Wikimedia Commons).

Und warum interessiert ihr euch für die öffentlichen Grünflächen?

Wir hoffen, dass die Wildstauden auf den öffentlichen Grünflächen als Vorbildflächen wahrgenommen werden. Die Zusammenarbeit von Forschung, Werkhof und Stadtökologie ist uns besonders wichtig. Die Kommunikation ist ein wichtiger Teil des Projekts. Wir besuchen die Flächen fünfmal im Jahr und bleiben dabei in engem Kontakt mit allen Beteiligten. So können wir unser Monitoring durchführen und gleichzeitig Pflegemassnahmen abstimmen.

Hat das intensive Monitoring sonst noch einen Grund?

Ja! Durch das Monitoring verstehen wir, wie sich die Artenzusammensetzung verändert. Wir schauen uns an, welche Arten vorkommen und wie häufig. Die erhobenen Daten vergleichen wir mit einer Referenzfläche nebenan. Diese bleibt unverändert. Wir schauen uns Schwebfliegen, Regenwürmer, Springschwänze und Mikroorganismen an, um eine mögliche Veränderung der Biodiversität aufzuzeichnen.

Wann ist mit den ersten Resultaten zu rechnen?

Wir wollen viele kleine Ergebnisse kommunizieren und natürlich den Schlussbericht am Ende mit den Hauptaussagen. Als Beispiel haben wir auf unserer Website bereits über die erfolgreiche Pflanzung in Baden berichtet.  Das ist doch schon ein vielversprechendes erstes Resultat. Uns ist besonders wichtig, dass unsere Forschung auch der Allgemeinheit zugänglich ist und den Leuten etwas bringt. Wir werden unsere Resultate darum auch auf Plakaten, in den sozialen Medien und einer App bekanntgeben. Diese Beiträge sollen möglichst viele interessierte Laien erreichen.

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Doris Tausendpfund zeigt der Schulklasse in der Langmatt, wie man Wildstauden richtig einpflanzt (Bild: Stadtökologie Baden).

Und wo siehst du die grössten Herausforderungen?

Die grösste Herausforderung sehe ich darin, dass wir mit nährstoffreichen Böden arbeiten. Oft weiss man nicht, was die genaue Zusammensetzung ist. Dies hat wiederum starke Auswirkungen auf die Pflege. Spannend, und auch eine Herausforderung, ist die Beteiligung von vielen verschiedenen Personen an dem Projekt. Forschende, wie Schwebfliegenexperten, Tagfalterexperten, Bodenexperten, Kommunikationsexperten und Pflanzenexperten; 16 verschiedene Städte/Gemeinden mit Verantwortlichen aus dem Gartenunterhalt, Stadtökologie, Planungsabteilung; und die Gärtnereien. Alle unter einen Hut zu bekommen ist meine Aufgabe. Das ist eine Herausforderung, aber gerade darin sehe ich das Potential für ein Projekt mit vielen Synergien. Genau wie bei den Wildstauden-Mischpflanzungen, bei denen wir die biologische Vielfalt von Boden, Insekten und Pflanzen nutzen um die Biodiversität fördern.

Dann wünsche ich dir und deinem Team alles Gute und viele Freude beim Meistern dieser Herausforderungen. Vielen Dank für die spannenden Einblicke!

Eine komplette Artenliste der Langmatt-Pflanzung finden Sie hier.

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