In Zeiten von Klimawandel und wachsender Umweltzerstörung stehen Städte weltweit vor der Herausforderung, ihre Abfallproduktion drastisch zu reduzieren. Das Konzept der „Zero-Waste-Stadt“ zielt darauf ab, den gesamten Abfall zu eliminieren oder auf ein Minimum zu reduzieren, sodass kein Müll auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen landet. Stattdessen wird alles wiederverwendet, recycelt oder kompostiert. Doch wie realistisch ist es, dass eine Stadt wie Baden diesen Idealzustand erreicht? Und wie schwer ist es tatsächlich, den Weg zu Zero Waste einzuschlagen? In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf das Zero-Waste-Konzept und überlegen, wie Baden von dieser Strategie profitieren könnte – auch wenn der Weg dorthin alles andere als einfach ist.

 

Was ist eine Zero-Waste-Stadt?

Eine Zero-Waste-Stadt strebt danach, die Menge an Müll, die auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen landet, auf nahezu Null zu reduzieren. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Abfallvermeidung zu fördern und die Lebensdauer von Produkten durch Wiederverwendung und Recycling zu verlängern. Dabei wird das Konzept der Kreislaufwirtschaft angewendet, bei dem Ressourcen so lange wie möglich im Umlauf gehalten werden.

Zu den zentralen Prinzipien einer Zero-Waste-Stadt gehören:

  • Abfallvermeidung: Bereits bei der Produktion von Gütern wird darauf geachtet, möglichst wenig Abfall zu erzeugen. Verpackungen werden reduziert oder durch wiederverwendbare Alternativen ersetzt.
  • Wiederverwendung: Produkte sollen möglichst oft wiederverwendet werden, bevor sie entsorgt werden.
  • Recycling: Materialien wie Glas, Metall und Papier sollen recycelt und wieder in den Produktionsprozess eingespeist werden (in CH schon Standard), neue Herausforderung: effizientes Recycling von Kunststoffen und Beton.
  • Kompostierung: Organische Abfälle wie Lebensmittelreste und Gartenabfälle werden kompostiert und so wieder dem natürlichen Kreislauf zugeführt.

 

Die Realität von Zero Waste: Ein langer Weg

Es ist wichtig zu betonen, dass der Weg zu einer Zero-Waste-Stadt alles andere als einfach ist. Der Idealzustand, bei dem überhaupt kein Müll mehr produziert wird, ist extrem schwer zu erreichen. Städte wie San Francisco oder Ljubljana haben zwar bemerkenswerte Erfolge erzielt, aber selbst diese Vorreiterstädte stehen vor erheblichen Herausforderungen, um tatsächlich „Zero Waste“ zu erreichen.

Ein grosses Hindernis ist die heutige Konsumkultur, in der viele Produkte auf Einwegverpackungen und kurze Lebenszyklen ausgelegt sind. Der Wandel hin zu einer Gesellschaft, in der Wiederverwendung und Reparatur im Vordergrund stehen, erfordert nicht nur strukturelle Änderungen, sondern auch einen tiefgreifenden kulturellen Wandel. Es braucht die Unterstützung von Bürgern, Unternehmen und der Politik gleichermassen. Wichtig zu betonen ist, dass dies nicht allein auf städtischer Ebene gelöst werden kann, da die meisten Produkte von ausserhalb kommen.

Beispiele für internationale Unterstützung bieten Initiativen wie die der Europäischen Union. Seit Sommer 2021 gilt in der EU ein Verbot für viele Einweg-Plastikprodukte, um die Plastikverschmutzung zu reduzieren. Zudem wurde im Februar 2024 das Recht auf Reparatur eingeführt, um das Reparieren von Produkten einfacher und attraktiver zu machen. Diese Regelung stärkt das Bewusstsein für eine längere Nutzungsdauer von Konsumgütern und fördert die Wiederverwendung. Solche Massnahmen zeigen, wie nationale und internationale Regelungen dazu beitragen können, nachhaltigere Produktions- und Lieferketten zu gestalten.

Zudem erfordert der Übergang zu Zero Waste erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Es müssen umfassende Recycling- und Kompostierungsprogramme eingerichtet werden, und die Bevölkerung muss über die korrekte Entsorgung und Vermeidung von Abfall informiert werden. In Städten wie Baden, wo bereits eine starke Umweltbewusstseins-Kultur existiert, könnte dieser Wandel jedoch leichter vonstattengehen als in anderen, weniger engagierten Regionen.

Erfolgsbeispiele weltweit

Einige Städte auf der Welt haben sich bereits dem Zero-Waste-Ziel verschrieben und zeigen, dass es möglich ist, die Abfallmenge erheblich zu reduzieren. San Francisco in den USA ist ein prominentes Beispiel. Die Stadt hat es geschafft, fast 80 % ihres Mülls zu recyceln oder zu kompostieren. Der Restmüll pro Person beträgt dennoch rund 400 bis 500 kg pro Jahr, was zwar eine erhebliche Reduktion gegenüber dem nationalen Durchschnitt in den USA darstellt – der bei etwa 800 kg pro Person liegt – aber immer noch weit von einem Zero-Waste-Zustand entfernt ist.

Im Vergleich dazu steht Baden in der Schweiz deutlich besser da: Hier liegt der Restmüll pro Person bei nur etwa 150 kg pro Jahr, was zeigt, dass Baden im Bereich Abfallvermeidung und -management bereits auf einem hervorragenden Weg ist. Das Erfolgsrezept in San Francisco liegt in einer Kombination aus politischem Willen, strengen Vorschriften und einer starken Beteiligung der Bevölkerung – und doch zeigt der Vergleich mit Baden, dass noch viel Luft nach oben bleibt, wenn es um die Reduktion von Restmüll geht.

In Europa geht Ljubljana in Slowenien, die erste Zero-Waste-Hauptstadt Europas, mit gutem Beispiel voran. Durch Massnahmen wie das Tür-zu-Tür-Sammelsystem für organische Abfälle und gezielte Aufklärungskampagnen konnte die Stadt den Restmüll auf unter 150 kg pro Person senken – gleich wie Baden. Ljubljana strebt jedoch an, diese Menge bis 2025 auf 60 kg zu reduzieren. Baden kann von diesen ambitionierten Strategien profitieren, um seine Abfallbilanz weiter zu verbessern.

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Farbig gekennzeichnete Mülltonnen erleichtern die Trennung von Abfällen und fördern das Recycling

Wie könnte Baden den Weg zu Zero Waste einschlagen?

Auch Baden hat grosses Potenzial, eine Vorreiterrolle im Zero-Waste-Bereich einzunehmen. Hier sind einige Schritte, die Baden in Richtung Zero-Waste-Stadt unternehmen könnte oder sogar schon tätigt:

1. Bewusstsein schaffen und Bildung fördern: Ein erster wichtiger Schritt wäre es, die Bürgerinnen und Bürger von Baden über das Thema Zero Waste zu informieren. Bildungsveranstaltungen, Workshops und öffentliche Kampagnen könnten dazu beitragen, das Bewusstsein für Abfallvermeidung und umweltfreundliches Verhalten zu schärfen. Schulen könnten eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Kinder und Jugendliche frühzeitig für das Thema sensibilisieren.

2. Abfalltrennung und Recycling stärken: Die Stadt hat Massnahmen ergriffen, um die Abfalltrennung zu verbessern. Neben der flächendeckenden Mülltrennung gibt es in Baden bereits gut etablierte Recyclingprogramme. Allerdings gibt es in der Separatsammlung in den letzten Jahren eine rückläufige Tendenz pro Kopf. Dies zeigt, dass die Badenerinnen und Badener in diesem Bereich noch mehr tun könnten, um die Recyclingquoten wieder zu steigern. Der Werkhof Baden unterstützt diese Massnahmen aktiv und bietet den Bürgern zahlreiche Sammelstellen für verschiedene Abfallarten.

3. Verpackungsfreie Läden und Mehrwegprodukte fördern: Baden hat bereits wichtige Schritte unternommen, um verpackungsfreie Läden und Mehrwegsysteme zu unterstützen. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Laden ohne.ch, einem Pionier für Zero-Waste-Konsum, zeigt die Bemühungen der Stadt, nachhaltigen Konsum zu fördern. In vielen Restaurants und Cafés sind Mehrwegbehälter für Take-away-Gerichte etabliert, und es gibt zahlreiche Initiativen, die die Bürger dazu ermutigen, auf Einwegprodukte zu verzichten. Diese Massnahmen tragen dazu bei, den Verbrauch von Verpackungen und Einwegplastik weiter zu reduzieren und einen nachhaltigeren Lebensstil zu fördern.

4. Kommunale Kompostierung: Organische Abfälle machen einen erheblichen Teil des städtischen Mülls aus. In Baden ist die Kompostierung von organischen Abfällen jedoch bereits regional implementiert. Die organischen Abfälle werden zur Biogasanlage nach Nesselnbach transportiert, wo sie zu wertvollem Kompost und Biogas verarbeitet werden. Dieser Kompost wird anschliessend wieder in die Region zurückgeführt und kann von Landwirten und Gärtnern verwendet werden, um Nährstoffe in den Boden zurückzubringen. Dies wurde auch schon durch Bildungsinitiativen wie den letztjährigen Garten-Workshop gefördert, bei dem Bürger die Möglichkeit hatten, sich über Boden- und Gartenvielfalt sowie den Nutzen von Kompost zu informieren und diese Erkenntnisse in ihren eigenen Gärten anzuwenden. Solche Initiativen zeigen, wie die Stadt Baden Bürger aktiv in nachhaltige Kreislaufwirtschaftsprozesse einbindet.

5. Unternehmen und Industrie einbinden: Unternehmen in Baden spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im Zero-Waste-Prozess. Die Stadt hat Programme entwickelt, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Produktionsprozesse auf Abfallvermeidung auszurichten. Dies geschieht durch finanzielle Anreize und die öffentliche Anerkennung besonders umweltfreundlicher Unternehmen. Der Werkhof Baden arbeitet eng mit lokalen Betrieben zusammen, um Recycling- und Wiederverwendungsinitiativen zu fördern.

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Die Vorteile von Zero Waste für Baden

Der Übergang zu einer Zero-Waste-Stadt bietet zahlreiche Vorteile, sowohl für die Umwelt als auch für die Bewohner. Einer der offensichtlichsten Vorteile ist die Reduzierung der Müllmenge, die auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen landet. Dies verringert nicht nur den CO2-Ausstoss, sondern schont auch natürliche Ressourcen, da weniger neue Rohstoffe benötigt werden.

Darüber hinaus kann eine Zero-Waste-Strategie zu Kosteneinsparungen führen. Weniger Müll bedeutet niedrigere Entsorgungskosten, und durch die Wiederverwendung und das Recycling von Materialien können Unternehmen ihre Produktionskosten senken. Schliesslich kann Baden durch seine Vorreiterrolle im Umweltschutz eine positive Aussenwirkung erzielen, was den Tourismus und die Wirtschaft ankurbeln könnte.

Ein möglicher Nebeneffekt des Übergangs zu Zero Waste ist jedoch, dass weniger Abwärme aus der Kehrrichtverbrennungsanlage für die Fernwärme zur Verfügung steht. Diese Abwärme spielt derzeit eine wichtige Rolle in der Energieversorgung der Stadt. Um diesen Ausfall zu kompensieren, müsste Baden alternative, erneuerbare Energiequellen erschliessen, um weiterhin eine nachhaltige und umweltfreundliche Wärmeversorgung zu gewährleisten.

 

Fazit: Ein lohnender, aber schwieriger Weg für Baden

Der Weg zu einer Zero-Waste-Stadt ist zweifellos eine Herausforderung, und der Idealzustand ist extrem schwer zu erreichen. Es erfordert tiefgreifende strukturelle Veränderungen, kulturellen Wandel und erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Trotzdem bietet der Prozess immense Chancen. Durch gezielte Massnahmen zur Abfallvermeidung, bessere Recycling-Infrastrukturen und eine engagierte Bürgerschaft könnte Baden ein Vorbild für andere Städte in der Region und darüber hinaus werden. Letztendlich geht es nicht nur darum, den Müll zu reduzieren, sondern auch um einen bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen – und genau das könnte Baden zum strahlenden Beispiel einer modernen, umweltfreundlichen Stadt machen.

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